Mundtot nodrm
Zukunft nach. Eigentlich war er entschlossen, sein Leben neu zu ordnen. Nachdem sein Vorstoß, Jens und ihn besser zu entlohnen, zu einer gefährlichen Retourkutsche wurde, weil sie alle natürlich erpressbar waren, schien kein Dialog mehr möglich zu sein. Dass es jetzt doch noch einen Auftrag geben sollte, der doppeltes Honorar versprach, erschien ihm nach dem Mord an Jens suspekt. Doch ihm blieb gar keine andere Wahl, als darauf einzugehen. Sie wussten inzwischen viel zu viel von ihm.
Natürlich hatte er gewusst, dass sein ganzes Leben bisher ein Spiel mit dem Feuer gewesen war. Aber es hatte auch Spaß gemacht und einen legitimen steuerfreien Nebenverdienst beschert.
Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte er bereits den von Mauerwerk umgebenen Zugang zum Plateau erreicht. Wie schwarze Gespenster reckten sich vor ihm die mächtigen Linden in den Sternenhimmel, an dem Ollerich den Großen Wagen erkannte.
Er blieb kurz stehen, sah nach allen Seiten und überquerte die ebene Hochfläche mit wenigen Schritten schräg nach links. Auch dort befand sich ein gemauerter Bereich, der ihn in der Dunkelheit an das Becken eines kleinen Swimmingpools erinnerte. Er näherte sich langsam und war froh, dass die Kiesel unter seinen Schuhsohlen gefroren waren und deshalb nicht knirschten. Wieder verharrte er wenige Sekunden, um sich zu vergewissern, dass niemand hier oben war. Er erreichte schließlich das dicke Mauerwerk und versuchte, in dem knapp zwei Meter tiefer gelegenen deckenlosen Raum etwas zu erkennen. Doch obwohl die Bäume kein Laub trugen, verhinderte ihr dichtes Geäst, dass sanftes Sternenlicht bis zum Erdboden drang. Er holte seine Stirnlampe aus der Tasche, streifte sie über den Kopf und ließ sie aufblitzen. Um den Lichtschein nicht in die Ferne zu richten, bückte er sich und ließ ihn über den gemauerten Boden zu der Treppe gleiten, über die er abwärts stieg. Sein Interesse galt einigen Fugen und Ritzen in der Wand, an denen er vorsichtig mit den Fingern entlangstrich. Als er gerade dabei war, seinen Meterstab herauszuziehen, schreckten ihn Schritte auf. Er griff instinktiv zu seiner Stirnlampe, knipste sie aus und blieb regungslos stehen. Von hier unten, wo ihn hohe Mauern umgaben, konnte er nur den Sternenhimmel und die hochragenden Äste der Bäume sehen. Er saß in der Falle, schoss es ihm durch den Kopf. Doch schon war wieder Stille. War da nur jemand vorbeigegangen? Ein einsamer Spaziergänger, den er übersehen hatte? Er war sich absolut sicher, Schritte gehört zu haben. Das schwache Knirschen einiger Kieselsteine, die nicht aneinandergefroren waren.
Er lehnte sich an die kalte Wand und versuchte, flach und somit leise zu atmen. Er bewegte seinen Kopf vorsichtig hin und her, um mit der Jacke kein verräterisches Geräusch zu verursachen. Endlose Sekunden verstrichen, während derer er fieberhaft überlegte, wie er dieser Falle entgehen konnte. Er hatte keine Waffe dabei. Nur ein Taschenmesser. Aber egal, was auch immer ihm zur Verfügung stehen würde, er musste irgendwann die Treppe hochgehen und zwangsläufig seinen Kopf über die Mauerbrüstung heben. Nur wenn es ihm gelang, einen Überraschungsmoment auszunutzen, wäre er für eine Schrecksekunde im Vorteil.
Vorläufig aber fiel ihm nichts dazu ein. Wie in Zeitlupe bewegte er sich zur Treppe, wo die Nacht am schwärzesten war. Die Minuten zogen sich quälend dahin. Von Weitem dröhnte ein Lkw-Motor. In diesem Moment war es Ollerich so, als nütze der Unbekannte dieses Geräusch, um sich an dem Mauerwerk zu schaffen zu machen. Augenblicke später traf es ihn wie ein Laserstrahl: Ein gleißendes Licht flammte auf und blendete ihn. Auf der Mauer war ein starker Scheinwerfer eingeschaltet worden, Ollerich wusste nicht, ob er die Hände heben sollte, um sich zu ergeben – wem auch immer. Oder ob es Sinn machte, sich zu verteidigen. Auf einen Feind, den man nicht kannte, konnte man sich nur schwer einstellen. »Keine Bewegung!«, schnarrte eine unsympathische Männerstimme durch die Nacht.
97
Lars Konarek hatte sich mit seiner schwarzen Kleidung, die aus einem Scharfschützenanzug mit Kapuzenjacke bestand, mediengerecht vor ein Plakat Bleibachs gestellt und in die Kameras einiger Privatsender. Es war ein eiskalter Märzmorgen. Hier, in Schwabstadl bei Untermeitingen, nördlich von Landsberg am Lech gelegen, waren die Felder noch von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Dass er diesen Ort als Ausgangspunkt für seine spektakuläre
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