Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
ruhig zusammen sehen. Bald würde es ohnehin das ganze Tal wissen, dass die Baronesse einen kleinen Pächter heiratete. Eigentlich konnte ihr doch gar nichts mehr geschehen. In Begleitung von Artair Makenzie war sie sicher.
Trotzdem zog sich das undurchdringliche Grün, hinter dem das Schloss lag, schier endlos hin. Mhairie atmete erleichtert auf, als linker Hand wieder der Fluss zu sehen war. An dieser Stelle bog Artair nach links ab.
»Wir müssen über eine kleine Brücke auf die andere Seite des Flusses. Es ist ein Nebenarm des Conon!«, rief er. Mhairie folgte ihm. Überall weideten Schafe, und Mhairie wusste sofort, dass dies nur die Tiere der Munroys sein konnten. Man erzählte sich, sie besäßen die größte Herde im ganzen Hochland. Die dunkle Wolke, die noch Augenblicke zuvor über dem Tal gelastet hatte, war wie von Geisterhand verschwunden. Es hingen zwar immer noch Wolken über den Hügeln, aber sie waren allenfalls grau und ließen durch zahlreiche Lücken auch die Sonnenstrahlen wieder zur Erde durch. Mhairie und Artair näherten sich der hölzernen Brücke.
Mhairie entspannte sich. »Hat der Fluss hier auch einen Namen? Es ist ja eher ein Bach, oder?«
»Jeder nennt ihn anders. Für unseren Clan ist es der Artair’s Burn.«
»Nach dir benannt? Damit du unsterblich bist?«, lachte Mhairie.
Artair aber musterte sie mit ernstem Blick.
»Nein, meine Vorfahren gaben dem Flüsschen diesen Namen, bevor man sie damals nach der Niederlage von Culloden überfiel und tötete. Nachdem die Munroys in unser Tal eingefallen waren, nannten sie ihn nach ihrem unrühmlichen Vorfahren Angus’ Burn. Sogar ein hölzernes Schild haben sie aufgestellt, das meine listigen Vorfahren immer wieder verschwinden ließen. Sie waren allerdings nicht so dreist, es durch ein Schild mit ihrem Namen zu ersetzen. Und die Leute aus dem Tal gaben dem Bach hinter vorgehaltener Hand den Namen Fuath-Burn, weil er die Grenze zwischen den verhassten Clans bildete. Der Bach des Hasses! Und das auch deshalb, weil die marodierenden Truppen die Leichen einiger meiner Vorfahren damals einfach dort hineingeworfen haben. Das Wasser soll blutrot gefärbt gewesen sein.«
Diese Worte sprach er, als sie gerade über die hölzerne Brücke ritten. Mhairie blickte erschaudernd über das Geländer ins Wasser, so als suche sie nach Spuren dieses Rachefeldzuges gegen die Aufständischen aus den Highlands. Doch was sie sah, war nur ein ruhig dahinplätschernder Bach, in dem sich zahlreiche braune Forellen tummelten.
Erst von dieser Seite aus entdeckte sie die bewachsene Mauer, die an das gegenüberliegende Flussufer stieß. Sie mutmaßte, dass es die Grenze des Munroy-Anwesens darstellte.
Sie war zwar im nahen Marybank geboren, aber in diesem Winkel des Tales war sie nie zuvor gewesen. Dabei gefiel es ihr hier sehr. Die endlosen grünen Felder und Wiesen mit den Bergen im Hintergrund wirkten überaus lieblich, doch dann wurde mit einem Mal alles von einer düsteren Wolke überschattet. Alles, was eben noch im Licht der Highlands gestrahlt hatte.
Mhairie hoffte, dass sie es vor dem Regen noch bis zum Haus der Makenzies schafften. Sie wurde immer aufgeregter bei dem Gedanken, gleich Artairs Familie kennenzulernen. Dann kann ich nicht mehr zurück, dachte sie, doch der Gedanke verursachte ihr keine Angst mehr. Artair und sie gehörten untrennbar zusammen. Auch wenn sie ein wenig von der Wahrheit abwichen und behaupteten, sie bekämen ganz gewiss ein Kind, war das nur rechtens. Mhairie war sich mittlerweile ganz sicher, dass ihr Vater nichts gegen eine baldige Hochzeit einzuwenden hätte. Wenn Artair ihm erst die Geschichte der Makenzies erzählt hätte, würde er ihn mit offenen Armen empfangen.
Da sah Mhairie sah ein einzelnes Haus vor sich auftauchen. Es war erstaunlich groß. Crofter lebten oft in ärmlichen Hütten, und dieses war ein Gebäude aus Stein.
»Ist es das?«, fragte sie.
Artair lächelte. »Ja, und das ist unser Schloss. Little Scatwell.«
Mhairie stieg von ihrem Pferd ab und betrachtete eingehend die Fassade. Das Haus war mit viel Liebe zum Detail erbaut worden und erinnerte mit seinen Türmen an eine Ritterburg, auch wenn alles wesentlich kleiner und einfacher war. Eher wie das Abbild einer wahren Burg.
»Das hätte ich nicht erwartet!«, rief Mhairie begeistert aus.
Artair lachte. »Haus und Land kann man uns stehlen, sagt Vater immer, aber unseren Stolz nicht. Er hat viel daran gebaut. Jede Generation versuchte, mit eigener
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