Munzinger Pascha
außergewöhnliches Weibsbild sein, daß sie Dir die Ketten der Zivilisation so erträglich macht. Grüße sie einstweilen unbekannterweise von ihrem rastlosen Schwager
Werner Munzinger
Immer noch fiebergeschwächt, lassen sich Munzinger und Kinzelbach im Morgengrauen des 6. April 1862 von Kameltreibern auf zwei gemietete Kamele hieven. Mit geschwollener Leber und schmerzenden Nieren reiten sie gegen El Obeid, vierhundert Kilometer südwestlich von Khartum. Jeden Tag reisen sie morgens von fünf bis neun und abends von vier bis acht Uhr. Die sengend heißen Mittagsstunden verbringen sie im Schatten eigens mitgebrachter Zelte, die Nächte auf hohen Bettgestellen zum Schutz vor Schlangen und Skorpionen. Munzinger und Kinzelbach genießen den Luxus, den sie sich dank der Geldanweisung des Expeditionskomitees leisten können; die Kamele sind reichlich mit Brennholz und Futter beladen, und an den Sätteln hängt eine beträchtliche Anzahl Wasserschläuche.
Am 20. April 1862 reiten die beiden in El Obeid ein. Die zwei Kameltreiber sind die ganze Strecke vor den Kamelen hergelaufen, um Skorpione und anderes Giftgewürm aufzuspüren und mit der Lanze zu töten.
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El Obeid, 10. Juli 1862.
»Schick diese Frau weg!« Theodor Kinzelbach schlägt die Hände vors Gesicht. »Ich bitte dich um unserer Freundschaft willen: Schaff sie mir aus den Augen!«
Die Frau lächelt verständnislos, Werner Munzinger grinst. »Fürchtest du dich?«
»Mach du dich nur lustig! Ich bin es nicht gewohnt, daß Tag und Nacht ein nacktes Weib zu meinen Füßen kniet!«
»Du bist undankbar, Theo. Die Frau hat uns beiden hundertmal den Schweiß von der Stirn getupft und uns abgewischt, wenn wir im Fieber die Kontrolle verloren. Da wäre es das mindeste, daß du dich von deiner freundlichen Seite zeigst.«
Die Frau ist Eigentum von Werners Gastgeber Ahmed Sogheirun, dem Scheich der Kaufleute in El Obeid und Gebieter über sechshundert Sklaven. Seit bald drei Monaten sitzen Munzinger und Kinzelbach in El Obeid fest und warten auf die Rückkehr des Kuriers, den sie nach Wadai ausgeschickt haben. Denn ohne ausdrückliche Erlaubnis des Sultans darf kein Fremder es wagen, dessen Reich zu betreten; bisher ist es erst einem Europäer gelungen, Wadai zu besuchen und es lebendig wieder zu verlassen, nämlich dem Engländer Browne im Jahr 1793.
|149| Werner ist in Sorge. Während der langen Wartezeit sind die Geldvorräte geschwunden, und die Regenzeit naht; ist sie erst einmal da, wird die Weiterreise unmöglich oder zumindest sehr beschwerlich. Und die Aussicht, weitere drei Monate in El Obeid auf dem Krankenlager zu verbringen, erfüllt Kinzelbach und Munzinger mit Todesangst.
Aber am Abend jenes 10. Juli treffen im Sonnenuntergang zwei Reiter ein. Sie binden ihre Kamele vor Munzingers Hütte fest, und der eine tritt über die Schwelle. Es ist der langersehnte Kurier.
»Sei gegrüßt, Werner Munzinger. Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Welche möchtest du zuerst hören?«
»Die schlechte.«
»Du kannst nicht nach Wadai reisen. Hier ist die Antwort des Sultans.«
An den ehrenwerten Werner Munzinger in El Obeid!
Lob sei Allah, dem Herrn der Welten, dem Nachsichtigen, dem Geber, dessen Güte uralt ist, dem Besitzer der Gnade und des Wohlwollens, dem Heiligen, von Unsauberkeit und Flecken Reinen. Gebet und Gruß sei über unseren Mohammed, den Herrn aller Menschenkinder, sowie über alle Propheten Gottes, wie über den Stamm Mohammeds und seine Genossen alle zusammen. Diesen Brief schickt Euch der Knecht Allahs und Fürst der Gläubigen, Sultan Mohammed el Hüssein, Sohn des seligen Sultan Mohammed El Fadhl, Enkel des Sultans Abdurrahman |150| des Gerechten und Urenkel des Sultans Ahmed Bekr.
Hochgeachteter Werner Munzinger! Eurem Brief entnehmen wir, daß Ihr zusammen mit Eurem Freund uns besuchen wollt, um nach Eurer Gewohnheit Umschau zu halten in unseren Landen. Ihr wißt, daß das Zusammenkommen von Christen und Mohammedanern von alters her weder verboten noch unerwünscht ist, und sollte sich daraus ergeben, daß ein Christ in den Glauben des Islam eintritt, so ist es ein großes Glück und unser höchster Wunsch. Wer aber nicht eintritt, kann ebenfalls ohne Sorge sein, denn Handel und Wandel bestehen zwischen Christen und Muslims ohne jede Schwierigkeit.
Ihr wißt aber auch, daß unser Land ein Land schlechter Luft und schädlichen Wassers ist; so ist vor einiger Zeit der französische Arzt Cuny zu
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