Murray, Paul
dann, als er den Scheiß inhaliert,
rausstellt, dass das gar nicht »Speed« ist, sondern irgendwas, mit dem man
Ameisen platt macht, und dass Ste dann anfängt zu randalieren und versucht, die
Teller zu fressen und sich die Augäpfel rauszupulen. »Komm doch mal mit,
Charlie«, sagte Frank gelegentlich. »Lustige Burschen, da geht's voll ab.«
»Danke,
nett von dir«, sagte ich dann. Die Geschichten allein reichten aus, dass mir
ganz anders wurde.
Damals war
ich wohl zu sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, um mich zu fragen,
was Frank sich eigentlich davon erhoffte, mich bei ihm wohnen zu lassen. Ich
wusste nicht, wie es um ihn und Bel stand. Was immer auch geschehen war, er
sprach jedenfalls nie von ihr. Aber manchmal ertappte ich ihn, wie er mich mit
sonderbar sehnsüchtigem Blick anschaute, als erwartete er von mir, dass ich sie
vor seinen Augen aus dem Hut zauberte. Und dann fragte ich mich schaudernd, ob
er vielleicht beabsichtigte, mich für seine Rache an ihr einzuspannen oder als
eine Art Liebesgeisel zu nehmen.
Im Großen
und Ganzen jedoch kam und ging er, ohne mich weiter zu stören; ich konnte
unbehelligt dasitzen und in den Fernseher schauen. Derart von der Welt im
Stich gelassen, hatte ich beschlossen, dass dies der optimale Zeitpunkt sei,
das Projekt Gene Tierney zu vollenden, oder, wenn man unbedingt Haare spalten
wollte, das Projekt Gene Tierney in Angriff zu nehmen. Jeden Nachmittag nach
dem Frühstück, wenn Frank bei der Arbeit war, schloss ich die Vorhänge (eine
Formalie, sicher, da es in der Wohnung sowieso immer dunkel war), setzte mich
mit einem Notizblock und einem Glas von dem schauerlichen Riesling in den
Sessel und schaute mir ein Video an. Ich fing ganz von vorn an, mit The Return
of Frank James - einer diabolischen Performance, für die ihr der Harvard
Lampoon das Prädikat »Schlechtester weiblicher Newcomer des
Jahres 1940« verlieh und mehr als ein Kritiker sie uncharmanterweise mit Minnie
Mouse verglich. Für mich in meinem jammervollen Zustand waren ihre Filme jedoch
wie Botschaften aus freundlicheren, höheren Sphären - Lichtsignale eines weit
entfernten Leuchtturms an ein bei Flaute dümpelndes, im Nebel gefangenes
Schiff. Ich brauchte die Filme, wie unter Zwang schaute
ich sie mir an und war schon bald im Jahre 1946 bei The
Razor's Edge angekommen.
Das war
einer meiner Lieblingsfilme. Der Held, gespielt von Tyrone Power, ist ein
gerade aus dem Ersten Weltkrieg heimgekehrter Pilot, den das erlebte Grauen so
abgestoßen hat, dass er es ablehnt, im Boom der Nachkriegszeit mitzumischen, obwohl
seine Verlobte, Gene Tierney, ihn nur dann heiraten will, wenn er eine Arbeit
annimmt. Der Film beginnt mit einer prachtvollen Countryclub-Ballszene unter
Sternenhimmel, in der Gene ihren Verlobten in einem kleinen, mondbeschienenen
Laubengang zur Seite nimmt und von den Vorzügen des wirtschaftlichen
Aufschwungs überzeugen will. Amerika werde bald so reich sein, sagt sie, dass
dagegen alles bis bisher Dagewesene, ob in Amerika oder sonst wo, verblassen
werde; sie sagt, dass das für einen jungen Mann wie ihn eine einzigartige
Gelegenheit sei und dass er die Chance ergreifen solle, daran teilzuhaben. Doch
Tyrone Power, seelenwund ins Leere blickend, sagt nur, dass das für ihn
keinerlei Bedeutung habe. Er teilt ihr dann mit, dass er nach Paris
zurückkehren werde, um als Penner zu leben.
Sie folgt
ihm nach Frankreich, wo dann später im Film die berühmte Szene spielt, in der
sie ihn mit in ihre Wohnung nimmt und einen letzten Versuch startet, ihn in die
Welt des Merkantilismus hinüberzuziehen. Dabei trägt sie ein bemerkenswertes
schwarzes Kleid, das der unheilvollen Scheide eines Dolches ähnelt. Dem Kleid,
das der brillante Exilrusse und Tierneys Ehemann seit 1941, Oleg Cassini,
entworfen hatte, konnte selbst ein Heiliger wie unser Expilot nicht widerstehen
- zumindest für die Dauer eines Kusses.
Zugebenermaßen
fühlte ich mich, was das Aufbegehren gegen die Leere der modernen Gesellschaft
betraf, mit Tyrone Power in diesem Film wesensverwandt. Vielleicht hätte ich
erwogen, seinem Beispiel zu folgen und von Bonetown in das ansprechendere
Milieu von Paris umzusiedeln, wenn ich nur im Entferntesten an die Möglichkeit
geglaubt hätte, dass mir dort eine wunderschöne Frau in schwarzem oder in
welcher Farbe auch immer gehaltenem Kleid nachstellen würde. Mit der Zeit
jedoch wurde zunehmend klarer, dass das nicht der Fall sein würde.
Seit ich
hier war, hatte niemand aus
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