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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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an.
Zufällig fiel sein Blick auf die Uhr, er fluchte und stand schnell auf. »Ich
muss wieder«, sagte er. »Meine Herren und Meister reagieren unwirsch auf
Unpünktlichkeit. Hat mich gefreut, Hythers. Wir sollten mal wieder auf einen
Brandy gehen. Abends habe ich fast immer Zeit.«
    Ich nickte
mechanisch. Plötzlich gingen alle. Sie stauten sich vor der Tür und hantierten
mit ihren Regenschirmen herum. Hoyland griff in die Tasche und gab mir seine
Karte. »Ruf mich an«, sagte er. »Wär doch
idiotisch, wenn alles den Bach runterginge, oder?« Mit der nicht angezündeten
Zigarette zwischen den Lippen blieb er noch einen Augenblick unschlüssig stehen
und schaute verständnislos den nach draußen drängenden Horden hinterher. »Weißt
du«, sagte er abwesend. »Ich muss immer noch an sie denken.« Dann schlug er den
Kragen hoch und ging mit den anderen hinaus auf den Boulevard. Ein paar Minuten
später war das Café fast völlig leer.
    Verdammt,
ich hatte vergessen, dass man in dieser Stadt keine zwanzig Meter weit kommt,
ohne einem früheren Bekannten über den Weg zu laufen, der einem die
Vergangenheit wieder aufwärmt. Vielleicht wollten sie deshalb die ganze Gegend
platt machen. Während die Kellnerin von Tisch zu Tisch ging und das schmutzige
Geschirr auf ihr Tablett türmte, tauchten vor mir aus dem Regen die alten
Gesichter auf - wie eine Schauspieltruppe, die nach dem Stück vor den Vorhang
tritt.
    Auf Patsy
waren wir alle scharf gewesen, natürlich, auch wenn keiner von uns je behauptet
hatte, sie wirklich gekannt oder verstanden zu haben. Sie war wie der Mond,
der alle Tierkreiszeichen durchwanderte. Reihum schenkte sie jedem von uns ihre
Zuneigung, blieb aber immer unnahbar. Ihre Liebe übte einen rätselhaften
Einfluss aus, den man zwar nicht richtig benennen konnte, aber an ihrer Liebe
zu zweifeln, traute man sich auch nicht. Im Nachhinein ist offensichtlich, dass
sie sich in ihrer eigenen Umlaufbahn ziemlich wohl fühlte. Von da aus konnte
sie amüsiert das von ihr angerichtete Chaos beobachten, die Windstöße und
Stürme und all die anderen anomalen Wetterbilder, die ihr sonderbarer
Magnetismus hervorrief. Aber jeder von uns hatte gehofft, dass er derjenige
sein würde, der sie schließlich zur Erde zurückholte.
    Die Chance
für mich war in jenem Frühjahr gekommen. Inmitten farbenprächtiger
Glockenblumen und Vergissmeinnicht, mehr oder weniger buchstäblich, stand sie
eines Tages neben mir. Keine Ahnung, wie sie dahin gekommen war, aber ich
stellte keine Fragen. Wie jeder andere auch verfiel ich augenblicklich ihrem
Zauber.
    Ich weiß
nicht mehr genau, was wir zusammen taten oder über was wir redeten. Möglich,
dass wir nichts taten und nichts sagten. Die Zeit an sich schien verzaubert. Es
war ein Abend ohne Anfang und Ende, Hand in Hand trieben wir dahin, wie in
einem wunderschönen Traum. Und wenn sie sich auch nie ganz preisgab und ein
Teil von ihr auch immer irgendwo anders zu sein schien, so nahm ich doch an,
dass das alles nur eine Frage der Zeit sei. In meinen einsamen Stunden lernte
ich wie besessen Yeats auswendig, suchte Erkenntnis, suchte nach der einen
Zeile, die sie mir erschließen würde.
    Das
Problem war, dass dieser eine Teil, von dem ich glaubte, er sei immer irgendwie
irgendwo anders, dass der normalerweise ziemlich präzise bei Hoyland Maffey
war. Tatsächlich war Hoyland permanent mit uns zusammen und wurde mit uns Zeuge
dieses spektakulären Frühlings. Mir kam es ziemlich unorthodox vor, dass zwei
Menschen, die sich ihre Liebe schenkten, fast während der ganzen
Schenkungsperiode von einem Dritten begleitet wurden. Schließlich sagte ich das
Patsy.
    »Was
meinst du?«
    »Ich
meine, dass normalerweise die beiden für sich allein sind.«
    »Aber
Hoyland ist doch ein Freund von uns beiden, Charles. Ein Busenfreund. Es ist
nicht fair, ihn außen vor zu lassen, nur weil wir beide so schrecklich
ineinander verliebt sind.«
    Die Art,
wie sie Busen sagte, hätte wahrscheinlich schon
gereicht. Aber als sie ohne jede Aufforderung weiterredete und abstritt, dass
da jemals irgendwas zwischen ihr und Hoyland gewesen sei, da waren meine
letzten Zweifel dahin. In diesem Augenblick wusste ich, dass sie Hoyland genau
die gleiche Geschichte über mich erzählte. Ich wusste, dass sie wusste, dass
ich es wusste, und ich wusste, dass Hoyland es auch wusste.
    Der
verzauberte Frühling wurde schnell ein vergifteter. Jeder Augenblick war
überschattet von Argwohn und Täuschung. Immer wieder,

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