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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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polierte
hochnäsig seine Manschettenknöpfe. »Degen oder Pistole?«
    »Natürlich
Pistole«, sagte ich und fügte geringschätzig hinzu:
    »Degen.«
    Die
Vorbereitungen waren schnell erledigt. Jemand holte die antiken Pistolen, die
geladen in Vaters Schreibtisch im Arbeitszimmer lagen - ein Geheimnis, das Bel
und ich eigentlich gar nicht kennen durften. Feierlich wählten wir unsere
Sekundanten aus: Boyd Snooks war meiner, Fluffy Elgin Hoylands. Nachdem er
vergeblich versucht hatte, uns die Sache auszureden, erklärte Pongo sich
bereit, den Schiedsrichter zu machen. Alle anderen, inklusive Patsy, wurden
gebeten, drinnen zu bleiben. Um fünf verließen wir durch die Hintertür das
Haus.
    Wir
marschierten durch das hohe Gras zum Pavillon, den das Jazztrio gerade erst
geräumt hatte. Am Himmel zeigte sich ein Hauch Rosa, und in den Zweigen
zwitscherten die ersten Vögel. Fluffy Elgin kicherte in einem fort. Hoyland
stand unter dem Apfelbaum, in den er seinen Blazer gehängt hatte, und schaute
mich verwundert an. Pongos schrille, angespannte Stimme durchschnitt die
Stille des Morgens. »Gentlemen«, sagte er, winkte uns vor dem Pavillon zu sich,
verlangte, dass wir uns die Hände schüttelten, und hielt dann die Mahagonikassette
hoch: »Wählt eure Waffen.«
    Die
Pistole war schwer, glänzte matt und hatte einen langen Lauf. Pongo stellte
mich und Hoyland Rücken an Rücken auf. Ich merkte auf einmal, wie kalt es war.
Der Garten leuchtete, ich nahm jede Einzelheit wahr.
    »Auf mein
Kommando geht jeder zehn Schritte geradeaus. Dann, wieder auf mein Kommando,
dreht ihr euch um. Wenn ich meinen Hut in die Luft werfe, darf geschossen
werden. Alles verstanden? Gut. Also los. Eins...«
    Während
ich mit durchgedrückten Knien steif geradeaus schritt und der Saum meiner
Hosenbeine den Tau aufsaugte, fragte ich mich, was genau ich hier eigentlich
tat. Trotzdem ergab das alles irgendwie einen Sinn für mich, sogar einen
einzigartigen Sinn.
    »Zwei ...
drei...«
    In diesen
Sekunden passte alles in meinem Leben zusammen. Falls es zum Schlimmsten käme
und ich jetzt sterben würde, dann geschähe es in meinem Garten, im Kreis meiner
Freunde und zu Ehren der Frau, deren wahrhaftiger und ewiger Liebe ich jenseits
jeden Zweifels gewiss war. Was Todesarten anging, kam mir die hier gar nicht so
übel vor.
    »Fünf ...
sechs...«
    Mist, ich
hatte ganz vergessen, mich von Bel zu verabschieden. Sie war irgendwo
unterwegs, baute irgendwo für eine Vorstellung die Bühnenbeleuchtung auf. War
wahrscheinlich besser so – sie neigte dazu, der Stimmung auf jeder Party den
Garaus zu machen, und ich wage zu behaupten, dass sie Duelle ebenfalls
missbilligte; zudem hegte sie eine starke Abneigung gegen Patsy, die sie immer
das Dalkey Chameleon nannte. Ich merkte mir vor, sie in meine letzten Worte
einzuschließen. »Acht...«, rief Pongo. »Neun...«
    Fluffy
Elgins Kichern hatte sich in einen Schluckauf verwandelt, sie musste sich
setzen.
    »Zehn ...
O verdammt, Sekunde noch...«
    Ein
tappendes Geräusch war zu hören, dann Stille. Die Sekunden verrannen. Ich
stand zitternd da, die kalte Mündung an meine Backe gedrückt. Ich starrte in
einen Pfingstrosenstrauch, registrierte teilnahmslos die Form von Blättern,
glänzenden Stengeln, Blüten. Fluffys Schluckauf klang traurig.
    »He,
Boyd«, rief ich, nachdem weitere Sekunden verstrichen waren.
    »Ja?«,
antwortete Boyd. Er saß neben Fluffy auf einem Baumstamm und versuchte sie
dazu zu bringen, die Luft anzuhalten. »Was ist los?«
    »Weiß
nicht genau«, sagte Boyd. »Pongo ist irgendwohin gelaufen.«
    »Was?« Die
Stimme wehte von Hoylands Standort unter den Lärchen herüber.
    »Ich
glaube, er holt was aus dem Haus«, sagte Boyd. »Ist sicher gleich wieder da.«
Er fing an, vor sich hin zu summen.
    »Ist
verteufelt kalt hier«, merkte ich an.
    »Können
wir uns nicht hinsetzen«, wollte Hoyland wissen. »Oder wenigstens umdrehen.«
    »Weiß
nicht«, sagte Boyd. »Das kann nur Pongo entscheiden, er ist der
Schiedsrichter.«
    Wir
blieben, wo wir waren. Immer mehr Vögel stimmten in das Gezwitscher ein. »Die
Sonne scheint mir genau in die Augen«, jammerte Hoyland. Ein Auto raste die
Straße hinunter.
    Meine
Zähne fingen an zu klappern.
    »Raaaaaah!«,
kreischte Boyd plötzlich und ließ uns alle zusammenfahren.
    »Was, zum
Henker...«
    »Ich
wollte nur Fluffy erschrecken«, entschuldigte sich Boyd.
    »Huupp ...
huupp ... huupp.« Fluffys Schluckauf war erbarmungswürdig. Sie saß ermattet

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