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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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Gebüsch stolzierten die Pfauen auf mich zu.
    Sie hatten
kaum noch etwas mit den von Seuchen befallenen Kreaturen gemein, als die ich
sie zurückgelassen hatte. Im Gegenteil, ich glaube nicht, dass sie jemals
besser ausgesehen haben. Jede einzelne ihrer perlmuttfarbenen Federn glänzte,
jedes Auge auf den fächerförmig ausgebreiteten Schwanzfedern glitzerte. Und was
da piepsend vor ihnen herlief, glich kleinen, sehr beweglichen Staubbällchen.
    »Sind das
etwa Neue?«, sagte ich ungläubig.
    »Kann man
so nennen«, sagte er. »Rosa hat sie letzte Woche bekommen - die Große da, die
nennen wir Rosa, nach Rosa Luxemburg.«
    »Das hat
sie noch nie gemacht«, sagte ich und sah mir die fragliche Dame genau an.
    »Na ja,
die sind mir alle ein bisschen fertig vorgekommen, und da habe ich eben ihre
Ernährung etwas umgestellt, habe den Käfig in Ordnung gebracht, so was. In
Guatemala habe ich viel mit Vögeln gearbeitet. Schätze, das alles hat sie
wieder in Stimmung gebracht. Und ruckzuck hatte Rosa die beiden Wonneproppen
hier, den kleinen Che und den kleinen Chavez.«
    Was
stellte er nur mit meinem Haus an?
    »Da kannst
du ja mächtig stolz sein auf dich«, sagte ich. »Trotzdem, wenn du so nett sein
könntest, mir die Tür...«
    »Entschuldige«,
sagte er. Er sprang die Stufen hinauf, schloss auf, sprang dann die Stufen
wieder hinunter und half mir mit dem Rollstuhl. Gleich hinter der Tür setzten
wir ihn ab. Ich schaute ihn an. Er lächelte mich tumb an.
    »Jetzt
komm ich schon allein zurecht«, sagte ich.
    »Gut«,
sagte er. »Bis später dann.«
    Gemächlich
ging er wieder in den Garten. Ich blieb kurz auf der Schwelle stehen und
betrachtete versonnen die Halle. Alles schien genau so zu sein, wie ich es
verlassen hatte: Da war der Weihnachtsstern, da der Brancusi und da das
Glasfries des Actaeon, durch das kuriose Lichtschnörkel auf den Boden fielen.
Und doch fühlte es sich auf unerklärliche Weise anders an - nicht ganz
überzeugend, wie dieser merkwürdige Missklang, wenn man zum ersten Mal einen
Ort besucht, den man schon viele Male auf Fotografien gesehen hat. Und dann,
wie um meine Bedenken zu beschwichtigen, rauschte Mrs P mit einem Tablett
Schmetterlingskuchen und einer Karaffe Orangensaft aus der Küche.
    »Master
Charles!«, kreischte sie. »Sind Sie es wirklich? Bitte, wollen Sie nicht nehmen
ein Stück Kuchen?«
    »Danke«,
sagte ich. Das fühlte sich schon besser an.
    »Warum
sind Sie nicht gekommen früher, um mich zu besuchen«, schalt sie mich. »Warum
haben Sie gewartet so lange?«
    »Ach ja,
Sie wissen ja, wie das ist«, sagte ich lässig. »Und, wie stehen die Dinge hier?
Wie geht's unserm alten Kasten?«
    »Oh,
Master Charles, wir Sie vermissen so sehr«, sagte sie seufzend und stellte das
Tablett ab. Dann trat sie hinter mich, um mir aus dem Mantel zu helfen. »Alle
arbeiten, alles immer nur hopphopp, keiner hat Zeit, sich zu setzen für ein
schönes langes Abendessen ... Und Sie, Master Charles? Sie sind jetzt auch wichtig,
oder? Jetzt, wo Sie arbeiten, wo Sie verdienen Geld ...«
    »So wichtig
auch wieder nicht«, versicherte ich ihr, während sie sich den Mantel über den
Unterarm legte und zur Garderobe brachte. Hinter mir hörte ich das Knarzen
einer Treppenstufe. Ich drehte mich um und sah - mit einem Anflug von
Wiedersehensfreude - oben an der Treppe Bel in mein Blickfeld treten.
    »Charles!«,
rief sie aus.
    Moment,
das war ja gar nicht Bel, das war Mirela, die Bels silbernen Kimono trug. Ich
spürte, wie mein Herz zurücksetzte, als wäre es fälschlicherweise in eine
Einbahnstraße eingebogen.
    »Meine
Güte, wie geht's dir denn?«
    »Was?«,
sagte ich verwirrt und versuchte, nicht auf den wohlgeformten Halbmond aus
Fleisch zu starren, den die Öffnung des Kimonos enthüllte, als sie sich über
das Geländer nach vorn beugte. »Ach, leidlich gut...«
    »Wenn ich
gewusst hätte, dass du kommst«, sagte sie und hüpfte mehrere Stufen auf einmal
nehmend die Treppe hinunter. »Wie ich jetzt aussehe. Warum hast du uns nicht
schon früher mal besucht? Hast du uns etwa vergessen?«
    »Ach«,
krächzte ich. »Du weißt ja...«
    »Wahrscheinlich
ist dein neues Leben viel aufregender. Aber warum hast du nicht wenigstens mal
angerufen?«
    Ich sollte
kurz erklären, dass ich mir natürlich vorher ausgiebig Gedanken über meine
Vorgehensweise gemacht hatte, sollte ich, was wahrscheinlich war, Mirela über
den Weg laufen. Schließlich hatte ich mich gegen jeglichen offenen Vorwurf,
ihre

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