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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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du,
vielleicht sogar ein besseres, wenn mich damals als Kind nicht das Auto
angefahren hätte.« Sie hielt inne, als gebe sie jemandem Zeit zu antworten, und
fuhr dann wütend fort. »Helfen? Mir? Wie kannst du mir helfen? Hast du einen
Zauberstab, mit dem du rumwedelst und die Modeindustrie aufrüttelst, damit sie
vom behinderten Teil der Bevölkerung Notiz nimmt? Und wenn die Gesellschaft
dann hinschaut, dann werden sie nicht nur diesen Stuhl hier sehen, sie werden
mich in dieses engstirnige Stereotyp pressen...«Ich tippte ihr auf die
Schulter. Sie fuhr zusammen, presste das Manuskript an die Brust und schoss
herum. »O mein Gott! Was soll das? Was schleichst du
hier rum?«
    »Hallo,
Charles. Wie schön, dich zu sehen, Charles. Wie nett von dir, Charles, dass du
in deiner knappen Freizeit vorbeikommst und unseren dummen Rollstuhl für unser
sterbenslangweiliges Stück vorbeibringst.«
    »Du hast
den Rollstuhl gebracht?«, fragte sie und setzte sich auf einen von mehreren
verstaubten Pappkartons, die überall im Gang herumlagen. »Wo ist er?«
    »In der
Halle«, sagte ich. »Mutter hat gemeint, dass du gleich Bescheid wissen
wolltest. Was machst du hier so allein? Was sollen die ganzen Kartons?«
    »Die sind
vom Speicher. Vielleicht ist was drin, was wir fürs Stück brauchen können. Und
ich bin hier oben, weil ich gehofft habe, dass ich hier endlich mal eine Minute
Ruhe habe, um meinen Text durchzugehen. Aber das war offensichtlich ein Trugschluss.«
    »Ist das
Harrys neues Stück, das du da übst?«
    »Hier,
schau selbst«, sagte sie, drückte mir das Manuskript in die Hand und verschwand
in ihr Zimmer.
    die Rampe stand auf der ersten Seite,
darunter in Großbuchstaben Harrys Name. Auf der nächsten Seite stand dramatis personae: mary - eine
verbitterte junge Frau in einem Rollstuhl; ann - ihre liebevolle und wunderschöne
jüngere Schwester, Model; Mutter - die Mutter der beiden; jack reynolds - ein eleganter, sozial engagierter
junger Anwalt.
    Ich ging
in ihr Zimmer und fragte: »Worum geht's in dem Stück?«
    Bel zog
ein paar Haarnadeln aus ihrem Haar und legte sie auf die Frisierkommode. »Es
geht um ein Mädchen in einem Rollstuhl. Das bin ich. Meine Mutter ist im
Krankenhaus, sie hat Krebs, sie liegt im Sterben. Aber ich kann sie nicht
besuchen, wegen der Treppenstufen. Also verklage ich das Krankenhaus, damit
sie eine Rampe bauen. Und daraus wird dann eine gigantische Schlacht vor
Gericht und ein Aufsehen erregender Rechtsstreit.«
    »Oh«,
sagte ich.
    »Klar,
dass das alles allegorisch gemeint ist.«
    »Klar«,
sagte ich, obwohl mein Verstand andere Dinge schrie. Großer
Gott im Himmel! zum Beispiel oder Wie kommt
der Kerl mit so was bloß durch? Ich setzte mich aufs Bett und
blätterte im Manuskript. »Das ist also die Rolle, die er für dich geschrieben
hat? Die er dir auf den Leib geschrieben hat?«
    Bel nickte,
nahm eine Bürste aus einer Schublade und bürstete sich das zerzauste Haar aus.
    »Nach den
vielen Kursivstellen zu urteilen, musst du ja ziemlich oft brüllen in dem
Stück«, merkte ich an - eine Beobachtung, die mir die Sache auf den Punkt zu
bringen schien.
    »Das ist
zufällig eine sehr gute Rolle«, sagte sie zum Spiegel, während sie kräftig
bürstete. »Das ist eine komplizierte Frau, die ich da spiele. Rollen für
komplizierte Frauen sind selten.« Sie griff sich ins Haar, um ein Haarknäuel zu
entwirren. »Bei der Hälfte der Frauenrollen darf man bloß hübsch aussehen und
ab und zu mal weinen.«
    »Und wer
ist die wunderschöne Schwester? Mirela?«
    »Mmm«,
sagte Bel wenig begeistert. »Harry spielt den Anwalt, und Mutter ist die kranke
Mutter, obwohl ich sie angefleht habe, es bleiben zu lassen.«
    »Irgendwie
komisch, dass du das Mädchen im Rollstuhl spielst und Mirela das Model«,
witzelte ich. »Wenn man bedenkt, dass sie ja diejenige ist, die nur ein Bein
hat.«
    Bel sagte
nichts darauf, doch sie bürstete jetzt heftiger, und man konnte das Knistern
hören, wenn die Bürste an den Haaren riss.
    »Ich meine,
ist doch komisch, wenn man's genau bedenkt«, wiederholte ich - für den Fall,
dass sie mich nicht verstanden hatte.
    »Charles,
ich bin wirklich ziemlich beschäftigt«, sagte sie plötzlich zum Spiegel.
    »Schon
gut«, sagte ich milde. »Mach einfach weiter, achte gar nicht auf mich.«
    Sie
verdrehte die Augen und fing an, ihr Gesicht mit einem Wattebausch abzutupfen.
    Ich stand
auf und ging zum Fenster. Es war warm und stickig; mich wunderte, dass sie das
nicht

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