Murray, Paul
schmutzige Geschirr da spazieren?«
»Das hat
mir Mrs P gegeben«, sagte ich.
»Tss,
tss«, sagte Mutter kopfschüttelnd. »Hört denn die Schlamperei dieser Frau nie
auf? Nun ja, stell das weg, mein Lieber. Wir sind zwar ziemlich beschäftigt im
Moment, aber wenn du schon mal hier bist, können wir auch einen Schluck
zusammen trinken.«
Ich
stellte das Tablett auf die Anrichte und folgte ihr hinaus in die Halle, wo sie
diversen Hausbewohnern zunickte. »Du siehst gut aus, Charles«, sagte sie. »Du
hast etwas Farbe bekommen.«
»Die haben
meinen Verband gewechselt, wenn es das ist, was du...«
»Es ist
die Kraft, die von innen kommt, das ist es. Ich wusste, es würde dir gut tun,
wenn du dich der Härte der realen Welt stellen musst.«
»Ja,
Mutter«, sagte ich und bog in ihrem Schlepptau ins Speisezimmer ein.
»So ein
Tag ehrlicher Arbeit erfrischt doch ungemein«, sagte sie nachdenklich und
schenkte erst mir und dann sich ein Glas Sherry ein. »Seinen Beitrag zu
leisten, eine Aufgabe anzunehmen, nach der Arbeit in der Tram zu sitzen, mit
der befriedigenden Gewissheit, dass die Rolle, die man spielt, und sei sie auch
noch so klein, unverzichtbar für das große Ganze ist. Diese Art von Befriedigung
ist doch unbezahlbar, ist es nicht so, mein Lieber?«
»Ja«,
sagte ich. »Obwohl, was die tatsächliche Bezahlung angeht, ist es ihnen schon
gelungen ...«
»Gut, gut,
denn das ist es doch schließlich, was die Welt in Gang hält, nicht wahr, Charles?
Was genau machst du denn nun? Irgendwas im öffentlichen Dienst, oder? Und, ist
das nicht furchtbar erfrischend?«
»Nun ja,
ich würde sagen, es ist in Maßen erfri...«
»Weißt du
eigentlich, wie furchtbar stolz wir alle auf dich sind ... ?« Mit dem Glas in
der Hand rauschte sie wieder hinaus in die Halle. »Wie schon gesagt, wir sind
hier selbst sehr beschäftigt, Harrys neues Stück hat in drei Wochen Premiere,
und wir schuften alle wie die Kulis. Nicht, dass einer von uns auch nur einen
Penny daran verdient ... Vielleicht sollten wir dich als Mäzen gewinnen,
Charles?«
»Ha, ha«,
erwiderte ich lahm. Die ödipalen und ökonomischen Probleme, die dieser Büchse
der Pandora entspringen konnten, ließen mich vor diesem Gedanken
zurückschrecken.
»Eine
bemerkenswerte Arbeit, wirklich bemerkenswert. Dieser Junge hat ein derartiges
Händchen für die Geschichten des Alltaglebens, für die Geschichten des
einfachen Mannes, könnte man sagen. Für uns, Charles, in unserem Elfenbeinturm,
mit unseren behaglichen Stellungen im öffentlichen Dienst ist bestens gesorgt,
aber was ist mit den weniger Glücklichen? Für die ist das kein Zuckerschlecken,
musst du wissen.«
»Ja, kann
ich mir vorstellen ...«
»Und
deshalb können sie von Glück sagen, dass ein junger Schriftsteller wie Harry
ihnen eine Stimme gibt. Allerdings kann mein Urteil kein völlig unparteiisches
sein, schließlich spiele ich selbst eine kleine Rolle, die der kranken Mutter.«
Sie lachte und kippte den Rest ihres Sherrys hinunter. Ich nutzte die Pause und
fragte schnell, wo Bel sei, damit ich ihr von dem Rollstuhl erzählen könne.
»Weiß der
Himmel«, sagte Mutter. »Wahrscheinlich schwirrt sie irgendwo oben herum. Aber
sei bitte vorsichtig, in letzter Zeit ist sie der perfekte Antichrist.«
»Ach ja?«,
sagte ich. »Als ich mit ihr gesprochen habe, hat sie sich ganz vernünftig
angehört.«
»Mein Wort
drauf«, sagte Mutter grimmig. »Und wenn man ein Stück probt und alle an einem
Strang ziehen müssen, Charles, ist das nicht gerade sehr hilfreich.« Sie stieß
einen ihrer Märtyrerseufzer aus. »Ich kann nur hoffen, dass sie nicht wieder
in ihre alten Gewohnheiten verfällt, gerade jetzt, wo es den Anschein hatte,
dass sie endlich ein bisschen aufgeschlossener wird...«
»Ach was«,
sagte ich. »Wahrscheinlich ist sie bloß ein bisschen überdreht. Du weißt doch,
wie sie sein kann ...«
»Mmm«,
sagte Mutter zweifelnd und drehte das Sherryglas in den Händen. Ich
entschuldigte mich und ging etwas beklommen die Treppe hinauf.
Vor ihrem
Zimmer am Ende des Ganges ging Bel langsam auf und ab. Sie trug einen
Morgenmantel, ihr Kopf steckte tief in einem Manuskript, und ihre freie, an der
Seite herunterhängende Hand machte stoßende Bewegungen.
»Ich will
keine Almosen von dir, Ann«, sagte sie. »Dein frommes Getue hängt mir zum Hals
raus. Vielleicht hast du Recht, vielleicht bin ich verbittert und
selbstbezogen. Aber ich hätte ein genau so gutes Model werden können wie
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