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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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gleichzeitige
Unmöglichkeit, diese zu stillen), Bel in der Hauptrolle der großen, tragisch
scheiternden Figur, Symbol einer vom Weg abgekommenen Gesellschaft ... Ich
stopfte meine Pfeife, nahm ein frisches Blatt und schrieb in Großbuchstaben
oben auf die Seite:
     
    handlung
     
    Zwölf
     
    anfangs hatte ich vor, das Stück fertig zu stellen und Bel noch vor der Premiere von Harrys
neuem Stück zu überreichen, in der Hoffnung, dass sie dann seins zerreißen und
stattdessen meins nehmen würden. Allerdings dauert das Schreiben eines Stückes
länger, als man meinen möchte - wenn man es richtig machen will, meine ich. Und
kaum, dass ich mich versah, stand auch schon der Premierenabend von Die Rampe vor der
Tür.
    Da es
ihnen immer noch an Aushilfen mangelte, erklärte ich mich bereit, meiner
Verbannung vorübergehend zu entsagen, um für den Abend das Garderobenfräulein
zu machen. Mit einiger Mühe hatte ich es geschafft, Frank als moralischen
Beistand zu gewinnen. Mutter stellte uns in der Halle einen kleinen Tisch hin,
wo wir den hohen Besuch begrüßten und dessen Mäntel in Empfang nahmen. Draußen
war die Nacht prickelnd kalt, doch hier drinnen geleiteten Kerzen, Gestecke von
wilden Herbstblumen und frische Düfte die Gäste durch die Halle bis ins
Musikzimmer, wo sie mit rotem Bordeaux und Glühwein empfangen wurden und mit
Musik, die dargeboten wurde von Vuk, Zoran und einigen ihrer Freunde aus der
Warteschlange vom Ausländeramt.
    Welchen
Zauber sie auch immer angewandt haben mochte - anscheinend hatte niemand der
Einladung Mirelas widerstehen können. Eine Stunde vor Vorstellungsbeginn
platzte das Haus vor hochkarätigen Wirtschaftsbossen aus allen Nähten. Während
sie an uns vorbeigingen, identifizierte Laura für mich und Frank jeden
Einzelnen von ihnen. (Laura hatte sich ebenfalls freiwillig gemeldet, obwohl
ich ihr unmissverständlich klar gemacht hatte, dass das nicht nötig sei. Seit
jenem Titanic-Abend war sie praktisch jeden Abend in
unserer Wohnung gewesen - vorgeblich, um Frank beim Aufbauen von Bücherregalen
zu helfen. Angesichts des permanenten Gekichers, das aus seinem Zimmer drang,
war sie aber wohl keine allzu große Hilfe.)
    »Das ist
der französische Kulturattache.« Sie trug ein luftiges Taftkleid und hielt eine
Platte Vol-au-Vents in der Hand. »Das ist Roly Guilfoyle, der Meisterkoch. Und
das da ist einer von diesem Bohnenkonzern, oh, entschuldigt mich kurz ...« Eine
weitere hoch gestellte Dame erschien, um ihren Mantel abzugeben. An die
ungläubige Blickfolge hatten wir uns schon gewöhnt: erst ein entsetzter Blick
für mein mumifiziertes Gesicht, dann einer für Franks nicht mumifizierte
Trauervisage. »Danke, Madam, Nummer 105, bitte. Gerade durch, rechts ...«
    »O mein Gott, da hinten ist der Chef von Stone Wall Friends and Mutuals. Das ist
praktisch der Versicherungsmensch von Irland
überhaupt. Letzten Monat hab ich ihn im Fernsehen gesehen, in VIP, das
Badezimmer von dem ist so in etruskischem Stil...«
    »Na, dann
geh doch rüber und biet ihm ein Vol-au-Vent an. Wir machen das hier schon ...
Ja, Sir, Nummer 106, danke. Ja, Sir, absolut sicher. Ja, Sir, ich bin mir der
Tatsache vollkommen bewusst, dass die nicht auf Bäumen wachsen. Einen
wunderschönen Abend, Sir ... Verdammt, Frank, jetzt schau nicht so düster. Du
machst den Leuten Angst...«
    »Ich schau
nicht düster, Charlie. Ich schau immer so.«
    »He,
Jungs.« Laura kam herübergetippelt und flüsterte uns verstohlen aus dem
Mundwinkel zu: »Ihr glaubt nicht, wer da ist ... Niall O'Boyle!« Sie deutete
auf einen unscheinbaren Mann, der einen blauen Anzug trug; das Gesicht sah aus,
als hätte sich während einer entscheidenden Wachtumsphase einer draufgesetzt.
    »Wer?«
    »Niall
O'Boyle. Das ist der Vorstandsvorsitzende von Telsinor
Ireland. Wisst ihr nicht mehr? Letztes Jahr, er hat die Telefongesellschaft
an die Börse gebracht und dann mit den Dänen diesen Management-Buy-out
durchgezogen. Ihm gehört noch ein Radiosender und dieses eine Magazin da, der
muss Millionen haben. O mein
Gott, da, die Uhr, schaut euch bloß die Uhr an, in meinem ganzen
Leben hab ich nicht so eine große Uhr gesehen ...«
    »Laura
...« Ich klopfte nachdrücklich mit dem Tacker auf die Tischplatte. »Ich will ja
nicht unhöflich sein, aber Frank und ich haben hier die Verantwortung für ein
paar ziemlich wertvolle Mäntel. Da geht's einfach nicht, dass wir abgelenkt
werden.«
    »Schon
gut, schon gut.« Sie rümpfte die Nase und

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