Murray, Paul
durchbohrten mich. Aber eins musste ich ihr lassen: Am
Anfang dieser ganzen Ausreißergeschichte hatte sie einen guten Kumpel
abgegeben; bei solchen Sachen war Bel klasse, ja, das war sie wirklich, auch
wenn sie ein Mädchen war. Wenn sie bloß nicht so grässlich heulen würde. Wir
gingen also zur Hintertür und klopften an, damit uns das Hausmädchen, das wir
damals gerade hatten, hereinließ und wir zu Vater in den Salon marschieren und
unsere Strafen abholen konnten...
Nur,
diesmal gab es natürlich keinen Pavillon, in den wir hätten fliehen können,
und auch keine höhere Macht, die hätte vermitteln oder aburteilen können. Es
gab nur die Fakten, und die lagen in Form eines schlaffen Handschuhs auf dem
Tisch. Keiner von uns wusste, was das Protokoll für derartige Situationen vorsah.
Also standen wir bloß da, etwas ermattet, als wäre zu wenig Sauerstoff im
Zimmer. Es muss ziemlich komisch ausgesehen haben, wie wir beide mit den Händen
in den Taschen ins Leere starrten und nach Worten suchten, um die Szene
aufzulösen, zu erklären oder wenigstens wieder in Gang zu setzen, um endlich
diesen schrecklichen Sekunden ein Ende zu bereiten. Dann stand Bel auf und
verließ die Wohnung. Als ich ihr folgen wollte, blieb ich mit einem Fuß in dem
unbespannten Tennisschläger hängen, und als ich ihn wieder befreit hatte und
unten auf der Straße stand, war nichts mehr von ihr zu sehen. Und so stolperte
ich wie ein Mann in einem Spiegelsaal oder in einer endlosen chinesischen
Schachtel aus Träumen wieder nach oben in die Wohnung, stieß die Tür zu meinem
Zimmer auf und fand es leer - leerer als das Kabinett eines Zauberkünstlers,
leerer als irgendetwas auf der Welt sein sollte.
Vierzehn
ich hab bosnier unterm dach
Eine Tragödie in drei Akten Von
Charles Hythloday
ort der H andlung : Ein
baufälliges Chateau an den Ufern der Marne.
dramatis personae
graf frederick : Ein Graf, der junge Herr des
Hauses. Kämpft mit der Vergangenheit und - in seinem Bestreben, den alten Glanz
des väterlichen Weinguts wiederherzustellen - im Haifischbecken der
französischen Weinindustrie.
babs : Seine Schwester, eine wunderschöne,
wenn auch zum Moralisieren neigende Möchtegernschaupielerin.
lopachin : Ein im Chateau wohnender
machiavellistischer Bankdirektor/Theaterimpresario, der heimlich die Zerstörung
des Weinguts und den Bau einer über das Grundstück führenden Eisenbahnlinie
plant sowie Babs und Frederick zu entzweien sucht.
[Anmerkung:
Warum hat Frederick Lopachin überhaupt in sein Haus gelassen?]
mam'selle : Ein französisches, auf ulkige Weise unbeholfenes Hausmädchen.
horst und werner : Zwei Bosnier.
inspektor dick
robinson, scotland yard
erster akt - erste szene
(Der
Salon, graf frederick blickt in
Gedanken versunken aus dem Fenster, als im Zustand höchster Erregung babs hereinstürmt. Nach ihr tritt der
heimtückische lopachin ein.)
babs (aufgewühlt): Frederick!
Oh, Frederick! Die Bauern, sie rebellieren!
frederick : Ach ja? Die Arbeit scheint sie wohl nicht
auszulasten. (Pause für Lacher)
babs : Wie kannst du in Zeiten wie
diesen nur Witze machen? Nächste Woche beginnt die Weinlese. Wie sollen wir ohne
Bauern die Trauben ernten?
frederick (grimmig): Ich weiß.
Gerade jetzt, wo das Weingut sich endlich wieder erholt hatte, (wendet
sich nachdenklich ab) Ich verstehe das nicht. Diese
Bauern sind doch sonst so fröhliche Burschen. Hat ganz den Anschein, als hätte
irgendwer sie aufgewiegelt, als hätte irgendwer falsche Informationen über die
neue Agrarpolitik der EU in Umlauf gebracht. Aber wer sollte so etwas tun?
lopachin : Warum geben Sie Ihr Vorhaben
nicht auf, Frederick? Ich verstehe Sie einfach nicht. Sie sind doch ein
intelligenter Mann. Warum wollen Sie unbedingt diese alte Klitsche wieder zum
Leben erwecken? Wo Sie doch genau hier einen Bahnhof bauen könnten oder ein
Multiplexkino?
frederick (kühl): Das ist
etwas, Lopachin, von dem Sie nichts verstehen. Man nennt das Tradition. Mein
Vater hat diese Weinfelder bestellt, und vor ihm sein Vater. Das hat mit Geld
nichts zu tun. Es geht darum, eine halbwegs anständige Flasche Burgunder zu
produzieren. Es geht darum, den hier seit Generationen ansässigen Bauern
Arbeit zu geben, auch wenn diese, ich darf ganz ehrlich sein, diese
Anstrengungen nicht wert sind. Wir werden das Chateau nie verkaufen! Sie müssen
es uns schon mit Gewalt entreißen.
babs (traurig): Da fällt
mir ein, heute Morgen hat der Direktor der
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