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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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sie selbst zu sein, und dass sie vielleicht etwas Zeit für sich zum
Nachdenken brauche. Der schwarze Wagen, der mir in der Auffahrt
entgegengekommen sei, gehöre den netten Menschen vom Cedars, wohin sie sich für
unbestimmte Zeit zurückziehen würde.
    Und so kam
es, dass mir die Obhut des Hauses zufiel. Egal, was Bel sagte, ich musste hart
arbeiten, um den unergründlichen Elan des Hauses zu bewahren, um seine grundverschiedenen
Elemente zu so etwas Ähnlichem wie einer Ordnung zusammenzufügen: Mrs Ps
zerstreuten Geist, Bels pathologisches Beharren, jeden Aspekt ihres Lebens
kontrollieren zu wollen, die Überspanntheiten oder kriminellen Neigungen von
jedem, mit dem sie gerade ging, und dann das Haus selbst, Jahrhunderte aus
Mauerwerk und Gebälk mit eigenen Launen, die zu besänftigen waren. Ich war
derjenige, der das alles in Gang hielt, der den ganzen Tag im Haus blieb, nur
um den Dingen ein klein wenig Mitte zu geben, um sie ein bisschen zu
fokussieren. Es war ein harter Job, und niemand dankte ihn mir. Allerdings
konnte man nicht erwarten, dass ich die Dinge jederzeit im Griff hatte; soll
heißen, was danach passierte, war nicht ganz und gar mein Fehler, egal, was sie
alle sagen.
     
    Trotz all
der Aufregung am Abend zuvor stand ich am nächsten Morgen früh auf. Ich musste
dem Tierarzt die Garage aufsperren, damit er nach den Pfauen sehen konnte, die
sich irgendwelche Parasiten eingefangen hatten. Ich war verantwortlich für die
Pfauen. Zu Lebzeiten hatte sich Vater, der der Einzige gewesen war, der sie
wirklich gemocht hatte, um sie gekümmert. Seitdem waren sie etwas
vernachlässigt worden. Ich hatte in das Tor der Garage, in der sie lebten, eine
Pfauenklappe einbauen lassen, damit sie rein und raus konnten, wann sie
wollten. Außer anlässlich der peinlichen Arztbesuche hatten wir nicht
sonderlich viel miteinander zu tun. Ich fühlte mich deswegen ein bisschen
schuldig, aber eigentlich waren sie selbst dran schuld. Sie waren die
nutzlosesten Kreaturen, strohdumm, schmutzig, ohne Sinn für Loyalität oder
Dankbarkeit, und fingen sich, wenn man nicht dauernd ein Auge auf sie hatte,
wegen jedem Kinkerlitzchen Parasiten ein.
    Der
Tierarzt untersuchte jeden Vogel und besprühte alle mit irgendeinem Pulver.
Dann wurde er, wie üblich, unangenehm wegen ihrer Lebensbedingungen und
ermahnte mich, zwecks Vorbeugung gegen zukünftige Infektionen häufiger frisches
Sägemehl einzustreuen etc., etc. »Und füttern Sie sie,
Mr Hythloday, das sind Tiere, die müssen jeden Tag fressen, und nicht nur, wenn
Sie dran denken...«
    »Ja, ja«,
sagte ich. Es war ein bisschen früh für Ermahnungen, und, ehrlich gesagt, ich
glaube, dass wir insgeheim alle hofften, sie würden bald wegsterben, damit wir
sie endlich los wären. Einen anderen Grund dafür, dass man mir die Obhut über
sie aufgetragen hat, kann ich mir auch nicht vorstellen. Außer dem praktischen,
dass die Garage der einzige Bereich des Hauses war, für den Mrs P keinen
Schlüssel hatte. Sogar Mutter hielt die Pfauen für etwas übertrieben. Bel begegneten
ihnen mit besonderem Abscheu, seit im dritten Jahr auf dem Trinity College
ihre Freunde aus der Schauspielklasse zum Marxismus konvertiert waren und ihr
wegen der Vögel die Hölle heiß machten.
    Der Grund,
warum Mrs P keinen Schlüssel hatte, war der, dass die Pfauen die Garage mit dem
von Vater wahrscheinlich meistgeliebten objet teilen
mussten: einem Mercedes, Baujahr 1930, einem
flaschengrünen Original-Grand-Prix-Rennwagen. Der ganz in der Nähe wohnende deutsche
Botschafter hatte ihm den Wagen geschenkt, weil er für seine an furchtbaren
Ekzemen leidende Tochter einen speziellen Hypo-Allergen-Balsam entwickelt
hatte. Er hatte den Wagen nie gefahren; tatsächlich war sich keiner von uns
sicher, ob man überhaupt mit ihm fahren konnte. Aber er hatte ihn zwanghaft
jeden Sonntagnachmittag gewaschen. Stundenlang hatte er ihn mit Polierleder
und Bienenwachs kraftvoll gewienert. Wenn er fertig war, stand er mit
verschränkten Armen neben dem Garagentor und beobachtete, wie sich die letzten
Strahlen der hinter ihm zwischen den Bäumen untergehenden Sonne über das Metall
ergossen. Diese Augenblicke des Übergangs, in denen seine Gedanken um den
still dastehenden Mercedes kreisten, gehörten zu den wenigen, bei denen man mit
ziemlicher Sicherheit davon ausgehen konnte, dass mein Vater vollkommen
glücklich war.
    Als der
Tierarzt gegangen war, schlenderte ich in die Küche, wo Mrs P gerade Rührei auf
zwei Teller

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