Murray, Paul
Dekorationen eines Warner-Brothers-Films. Sie machte mit Mutter,
Bruder und Schwester eine Studioführung, ein Zwischenstopp auf einer großen
Sommerferienreise quer durch Amerika, achttausend Meilen mit dem Auto, von
ihrer Heimatstadt Fairfield, Connecticut, nach Kalifornien und zurück. (Die
beiden Mädchen hatten so viel Garderobe dabei, dass sie mit einem Anhänger
reisen mussten.) Sie schauten sich die Dreharbeiten von The
Private Lives of Elizabeth and Essex mit Errol Flynn und Bette Davis
an, als der Regisseur die Arbeiten unterbrach, zu der Gruppe hinüberging und
Gene sagte, sie gehöre auf die Leinwand. Das war nicht nur so dahergeredet: Er
schickte sie auf der Stelle zu Probeaufnahmen, und am nächsten Tag bot ihr
Warner einen Vertrag an.
Ihr Vater,
der aus beruflichen Gründen in New York geblieben war, nahm die Neuigkeit nicht
begeistert auf. Howard Tierney war ein einflussreicher Mann aus der
Versicherungsbranche, dessen Vermögen allerdings - wie das jedes anderen - in
den Jahren davor gelitten hatte. Er hielt nicht viel von Hollywood, und noch
weniger hielt er von Warners 150 -Dollar-pro-Woche-Vertrag.
In jenen Tagen erwartete man von jungen Damen aus der Gesellschaft - und die
Tierneys gehörten zur besseren Gesellschaft -, dass sie ihre Schule beendeten,
einen Yale-Burschen heirateten und in Connecticut lebten. Jedwede
schauspielerischen Neigungen waren auf Tanzfläche und Countryclub zu
beschränken. Aber Gene war sein Liebling. Wenn sie nach ihrem Debüt immer noch
schauspielern wolle, so seine Zusage, dann würde er alles in seiner Macht
Stehende tun, um ihr bei der Suche nach einem Job am Broadway zu helfen.
Auf sein
Wort war Verlass. Anstatt ins Büro zu gehen, fuhr Howard Tierney mit seiner
Tochter jeden Mittwoch um 8:15 Uhr mit
dem Zug in die Stadt, um Agenten und Produzenten zu treffen. Nach einigen
kleineren Nebenrollen erwischte sie schließlich eine Rolle in einem
Erfolgsstück, und Darryl F. Zanuck, der Boss von Twentieth Century Fox, flog an
die Ostküste, um sich Gene anzuschauen. Er engagierte sie sofort. Ihr Vater
handelte mit Fox einen Vertrag aus, der ihr fünfmal so viel einbrachte wie der
von Warner. Er gründete eine Firma, die Belle-Tierney-Corporation (Belle war
der Spitzname von Genes Mutter), die seine Tochter vertreten, Werbung betreiben
und ihre künftigen Einkünfte verwalten sollte.
1939 flog Gene
mit dem ersten Transkontinentalflug überhaupt nach Hollywood. Als sie aus dem
Flugzeug stieg, drückte ihr jemand eine Plakette in die Hand. Gene wurde der
Fox-Publicity-Abteilung übergeben, die mit ihr das Starlet-Aufbauprogramm
durchzog. Sie machten Fotos in Nachtclubs, am Pool und am Strand, arrangierten
Interviews und arbeiteten an ihrem Image, dachten über einen neuen Namen nach
und darüber, was für ein »Typ« sie sei - eine Penny Singleton oder eine Deanna
Durbin -, denn es war wichtig, wie jemand anderer auszusehen. Dann begann die
Arbeiten an The Return of Frank James mit Henry
Fonda. Jeden Abend nach den Dreharbeiten setzte sie sich allein in den
Vorführraum, schaute sich Filme an und versuchte sich selbst beizubringen, wie
man spielte.
Die
nächsten Stunden ging ich das ungeordnete Material durch und versuchte es
chronologisch zu ordnen. Das Lesen machte mich traurig. Aber vielleicht ist das
Leben eines jeden Menschen traurig, wenn man weiß, was als Nächstes kommt. Ich
hatte den Eindruck, als könne man in jeder winzigen Information, in jedem
Biografieschnipsel, in jedem PR-Standfoto den gesamten Verlauf ihres Lebens und
die Kräfte, die es zerstören sollten, erkennen. Selbst ganz am Anfang, als sie
noch voller Zuversicht und Hoffnung war, waren diese Kräfte schon da, wie
Fallen, die nur darauf warteten, zuzuschnappen.
Um zwölf
Uhr war ich ziemlich erschöpft. Ich packte alles zurück in den Schuhkarton,
gelobte, eher früher als später weiterzumachen, und begab mich auf die Suche
nach Mrs P. Vielleicht war sie in Stimmung, mir ein paar Teeküchelchen aus der
Röhre zu zaubern. Unterwegs kam ich wieder an Bels Tür vorbei und legte auch
zufällig wieder eine kleine Pause ein, gewissermaßen, um mich zu orientieren -
aber die beiden unterhielten sich über genau das gleiche Thema wie vorher.
Frank hatte es wieder mit seiner Gräfin und sagte gerade, dass sie sehr reich
sei. Dann machte er eine Pause, hustete ein paarmal und sagte, dass sie eher
saloppe moralische Standards pflege und mit einem Mann von nichtadeliger
Abstammung verheiratet sei - was
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