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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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aus Franks Mund ein bisschen herb klang. Er
schien sich über Nacht einen Sprachfehler zugezogen zu haben. Bel jedem
zweiten Wort verhaspelte er sich, und sein Tonfall war von einer enervierend
bleiernen Monotonie. Bel regte sich furchtbar darüber auf, dass sie nicht
schlafen konnte. Dauernd nannte sie Frank »Onkel«, was mir als Kosename doch
ziemlich eklig vorkam. Sie klang komisch, als wäre ihre Stimme ein geliehenes
Kleid, das ihr nicht richtig passte.
    »Ja«,
sagte Frank. »Du hast ganz Recht. O Gott, es ist schrecklich.«
    »Könntest
du ein bisschen schneller?«, sagte sie. »Ja, du hast ganz Recht, es ist...«
    »Moment,
Frank, vielleicht sollten wir doch etwas zurückgehen - und wie geht's denn
meinem kleinen Kind...«
    »Okay ...
Du bist nicht nur eine Nichte für mich, du bist ein Engel, ein ... Bel, ich
versteh kein Wort von dem, was dieser Penner sagt. Will er sie nageln, oder
was? Ich meine, er ist ihr Onkel, ist ja wohl 'n bisschen daneben, wenn er sie flachlegen
will, oder nicht?«
    »Herr im
Himmel!«, sagte sie verzweifelt.
    »Außer
wenn...«, brummelte er vor sich hin. »Also, wenn er ein Onkel ist, der die
Tante erst später geheiratet hat, schätze, dann geht's schon, oder?«
    »Das ist
völlig egal, Frank, du sollst es bloß lesen ... ach was,
hat ja sowieso keinen Sinn, ich schaff das nie!«
    Darum ging
es also. Sie brachte ihm Lesen bei.
    »Bel?«
    »Ja?«
    Die Arme
hörte sich ziemlich ausgepumpt an, dabei war es noch nicht mal Mittag.
Vielleicht wurde ihr gerade klar, dass sie sich da etwas aufgeladen hatte, das
sie nicht stemmen konnte.
    »Also,
wenn du meine Nichte wärst, ich glaub, ich würd
dich ganz gern flachlegen.«
    Eine
Sekunde lang herrschte empörte Stille. Ich stand vor der Tür und errötete
stellvertretend für sie.
    »...dann
würd ich dir mal richtig zeigen, wo der Hammer hängt...«
    Schande, o
Schande! Ich wollte gerade ins Zimmer stürzen und seine Unverfrorenheit mit
meinem Handrücken vergelten, da hörte ich zu meinem Entsetzen, dass Bel in
lautes Gelächter ausbrach. »Ach, du!«, sagte sie, dann hörte ich das Geräusch
einer quietschenden Sprungfeder. Plötzlich wurde mir komisch im Magen. Ich
trat hastig den Rückzug an, bevor es richtig zur Sache ging -
     
    »Was
wissen wir schon von Mrs P?«, sagte ich am Nachmittag des nächsten Tages und
legte mein Buch auf den Tisch.
    Mir
gegenüber saß Bel und bog mit einem merkwürdigen Metallapparat ihre
Augenwimpern. »Hmm?«, sagte sie.
    »Wie lange
ist sie jetzt schon bei uns? Zwei Jahre? Oder drei? Und trotzdem haben wir
keine Ahnung, wie sie eigentlich tickt.«
    »Wenn
jetzt eine von deinen paranoiden Wahnvorstellungen kommt - ohne mich«, sagte
sie und klemmte die oberen Wimpern des einen Auges zwischen zwei Stahlgreifer.
    »Nein,
nein«, sagte ich ungeduldig. »Ich will bloß sagen, dass es komisch ist, wenn
jemand so lange in einem Haus lebt und doch ein völlig Fremder bleibt -
wenngleich ein hoch geschätzter und gut entlohnter Fremder. Bringen wir ihr
genügend Aufmerksamkeit entgegen? Sollten wir nicht, na ja, du weißt schon,
irgendwie mehr reden mit ihr und so was?«
    »Wie
kommst du auf einmal darauf?«, fragte Bel neugierig.
    »Nur so«,
sagte ich. »Jeder braucht doch Liebe.«
    Sie lachte
gackernd. »Wie wär's mit einem Bed-in?«
    »Meinst du
nicht auch, dass sie in letzter Zeit etwas unausgeglichen ist? Zum Beispiel
die Geschichte mit den Bohnen. Dauernd diese bizarren Bemühungen um Buße.
Gestern hat sie mir Unterhosen gekauft.«
    »Ich
glaube nicht, dass daran irgendetwas Unausgeglichenes ist, wenn sie das wieder
gutmachen will. Mal abgesehen davon, Charles, dass das natürlich ganz allein
dein Fehler war...«
    »Ja, ja,
aber du hättest die Dinger sehen sollen. Egal, es ist ja wohl ziemlich
unpassend, seinem Arbeitgeber überhaupt Unterwäsche zu schenken. Es sei
denn...« Ein schrecklicher Gedanke schoss mir durch den Kopf. »Großer Gott, Bel,
sie hat sich doch nicht in irgendeine fixe Idee verrannt, oder? Ich meine, sie
wird doch nicht versuchen, mich zu verführen?«
    »Na ja,
wahrscheinlich hat sie schon mitgekriegt, dass man bei dir mit einer halben
Flasche Jameson und einem Wonderbra...«
    »Ich
mein's ernst. Da sind noch andere Sachen passiert. Gestern Nacht hab ich sie
überrascht, wie sie mir Frühstück machte. Und zwar zu ziemlich unchristlicher
Zeit. Ich will ja nicht ihren Arbeitseifer kritisieren, natürlich nicht, aber
sie hat einen ganzen Fasan gemacht. Kommt dir das nicht auch

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