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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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schaute.
Schließlich fiel mein Blick auf die beiden mondgesichtigen Einkaufswagenkinder.
Sie saßen zusammengesackt da, die Hände verkrampft, vor ihren Füßen eine
schwarze Ampulle.
    Cousin
Benny hatte die Tür wieder zugemacht. Er hatte sich daneben aufgebaut, war in
dem düsteren Grabkammerlicht aber nur schemenhaft zu erkennen. Er blies eine
riesige Rauchwolke in den Dunst, der sich wie ein Leichentuch über die
Schlafenden ausbreitete. Die vollkommene Stille wirkte wie eine gottlose Parodie
auf Ruhe und Frieden. Ich sah, dass der Tennisschläger in meiner Hand zitterte,
legte die Hände auf den Rücken und verschränkte die Finger. Dann hörte ich ein
Stöhnen. Frank, der sich inmitten der Leiber vorgetastet hatte, stakste
plötzlich hastig auf die gegenüberliegende Wand zu. Er bückte sich, und als er
sich wieder erhob, lag in seinen Armen eine schlaffe Gestalt im Trainingsanzug.
Es war Droyd, berauscht, überraschenderweise mit einem Gesichtsausdruck wie von
einem präraffaelitischen Gemälde. »Verpiss dich«, murmelte er verschlafen.
»Verpiss dich.«
    Als klar
war, dass er nicht aufwachen würde, wuchtete Frank sich ihn über die Schulter.
Schnaufend drehte er sich zu Cousin Benny um. »Ich nehm ihn mit, Benny«, sagte
er.
    »Wie du
willst«, sagte Cousin Benny. Die beiden Rauchwölkchen kringelten sich wie
Beschwörungsformeln von seiner Hand in die Höhe. »Er kommt wieder.«
    »Rühr dich
nicht vom Fleck.« Frank machte ein paar Schritte in Richtung einer zweiten Tür,
von der die Farbe abblätterte. »Behalt ihn im Auge, Charlie.« Ich schluckte und
zückte meinen Tennisschläger.
    Cousin
Benny lächelte spöttisch. »Und was soll er jetzt machen? Mich aus seinem
Tennisclub rausprügeln?«
    Trotzdem
brachte er sich, während Frank auf die Tür zustapfte, mit ein paar Schritten
rückwärts in Sicherheit. »Nimm ihn ruhig mit«, rief er uns hinterher. »Er kommt
wieder. Ist auch nur 'n kleiner Wichser. Wie ihr alle, kleine Wichser. Klar, er
versucht's wieder, will wirklich clean werden, und dann passiert irgendwas, das
er nicht auf die Reihe kriegt, und dann er steht wieder vor der Tür und hält
mir die Kohle unter die Nase...«
    Ich schlug
die Tür hinter mir zu, und dann standen wir Gott sei Dank wieder auf der
Straße. Frank legte Droyd auf den Beton, und wir sogen die kalte nasse Luft
wie Manna in unsere Lungen.
    Mir fiel
auf, dass meine rechte Hemdmanschette aufgegangen war. Ich versuchte sie wieder
zuzuknöpfen, doch meine verdammten Hände zitterten zu stark. Das war verdammt
ärgerlich. Auch mein Smoking war inzwischen völlig durchnässt. Ich lehnte mich
an die Wand, atmete tief durch und wartete darauf, dass das Zittern aufhörte.
Schließlich ließ es so weit nach, dass ich die nötige Justierung vornehmen
konnte. Ich klatschte in die Hände. »Jawoll«, sagte ich.
    Frank war
neben Droyd in die Hocke gegangen und starrte niedergeschlagen auf seine
Schuhe.
    »Hab schon
amüsantere Nachmittage erlebt«, sagte ich. »Trotzdem, Ende gut, alles gut.«
    Keiner von
beiden reagierte.
    »Ende gut,
alles gut«, wiederholte ich vorsichtig. »Oder?«
    »Was
sollen wir jetzt machen, Charlie?«, sagte Frank.
    »Nun ja,
ich muss jetzt schleunigst zu meiner Dinnerparty«, sagte ich. »Ich würde dich
ja mitnehmen, aber ... Abendgarderobe, weißt schon...«
    »Nein, ich
meine das Geld, verdammt, das Scheißgeld für die Miete.«
    »Tja, weiß
nicht«, sagte ich. »Wird sich schon was ergeben, denke ich.«
    Für
sonderlich hilfreich schien Frank den Ratschlag nicht zu halten. Langsam wurde
ich etwas gereizt. Verdammt noch mal, konnte er nicht verstehen, dass ich mich
mit eigenen Problemen herumschlug? Konnte er nicht mal für fünf Minuten nicht
an Geld denken?
    »Vielleicht
machst du dir ja ein völlig falsches Bild von dem Hausbesitzer«, sagte ich
schroff. »Vielleicht zeigt er ja Verständnis, wenn du ihm alles erklärst. Ich
meine, dass Droyd das Geld gestohlen hat, um sich Drogen dafür zu kaufen, dass
es dir sehr Leid tut und dass du ihm das Geld sobald wie möglich gibst. Der ist
doch Polizist, hast du gesagt. Als ehemaliger Polizist versteht er das doch,
meinst du nicht?«
    Franks
hohles Gelächter dauerte fünf volle Minuten. Ich kochte, schlug die Hacken
gegeneinander und ließ den Dunlop-Tennisschläger in meiner Hand herumwirbeln.
Plötzlich schoss Franks Hand nach oben und packte den Schläger. »Charlie, du
kannst das Geld doch auftreiben, oder?«
    »Ich?«,
sagte ich ungläubig. »Wo soll ich

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