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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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dauernd
über die Schulter...«
    »Oh ...
tja.«
    »Und wenn
Sie die ganzen Kekse aufessen, dann haben Sie keinen Hunger mehr für
Abendessen.«
    »Ich kann
einfach nicht anders«, sagte ich kleinlaut und machte den Deckel der Dose
wieder zu. »Ich kann einfach nicht aufhören, das sind die Nerven oder so.«
    »Hmm.« Sie
nahm eine Prise Korianderpulver aus einem Glas, streute sie in eine dampfende
Pfanne und rührte um.
    »Master
Charles, bitte entschuldigen Sie, aber ich habe gehört, wie Sie vor ein paar
Tagen gesprochen haben mit Miss Bel...«
    »Ah ja?«
    »Ja«,
sagte sie zögernd, ohne sich zu mir umzudrehen. »Sie haben gesagt, dass die
Bank kommt und das Haus wegnimmt...«
    Jetzt
drehte sie sich zu mir um. Sorgenfalten umrahmten ihre erschöpften Augen. »Was
passieren, Master Charles? Wohin gehen wir?«
    Ich
glaubte nicht, das mit ihr diskutieren zu müssen, schließlich war das
vornehmlich Angelegenheit der Familie, nichtsdestotrotz verdiente sie, beruhigt
zu werden. »Machen Sie sich wegen der Bank keine Sorgen, Mrs P. Ein
Missverständnis, nichts weiter.« Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter und
fügte in vertraulichem Ton hinzu. »Kein Problem, ich hab das im Griff.«
    Viel Trost
schien sie daraus nicht zu schöpfen. Kommentarlos wandte sie sich wieder dem
Herd zu.
    »Ich schau
mal ins Speisezimmer, ob da alles in Ordnung ist«, sagte ich aufgeräumt und
streckte mich. »Bel Ihnen läuft alles klar, oder? Sie sind nicht sauer, oder
so?« Ich akzeptierte das Topfklappern als Antwort. Ich hatte die Klinke der
Küchentür schon in der Hand, da drehte ich mich noch mal um, um mir das Bild
einzuprägen: rote Ellbogen zwischen dampfenden Töpfen, der straff gebundene
Haarknoten, der sympathische Schwung ihrer Wangenknochen. Dann machte ich die
Tür auf und...
    »Aua!«
    ... stieß
mit Bel zusammen, »'tschuldige«, sagte ich und reichte ihr die Hand, um ihr
wieder aufzuhelfen. »Komm, ich nehm dir das ab.«
    »Danke,
geht schon. Alles in Ordnung mit dir?«
    »Wieso?
Klar, natürlich. Ich hab nur was im Auge, das ist alles.« Ich folgte ihr ins
Speisezimmer, wo sie die Schatulle abstellte und sich den Staub von der Bluse
wischte.
    »Wie viel
von dem Zeug willst du runterschaffen? Auf dem Dachboden stehen noch Kartons
mit Sachen von Mutters Familie. Wenn du willst...«
    »Tja, ich
glaube kaum, dass wir noch Platz haben dafür.« Wir schauten uns im Zimmer um.
    »Sieht aus
wie Aladins Höhle.« Aus jeder Ecke blinkten und glitzerten Kostbarkeiten:
Armreife, Ringe und Fußkettchen, Jade und Lapislazuli, Granatsteine und
Saphire, Hindustatuetten, türkische Brücken, antike Pistolen und Krummsäbel,
mehrere geheimnisvolle objets aus
Afrika, gespenstisch grüne Tahiti-Perlen, ein byzantinischer Loros, Amulette,
kleine Planetarien... »Ich weiß nicht, Charles, ein bisschen protzig, meinst du
nicht? Wenn Caligula zum Essen käme, okay ... Aber für Laura? Sie will Versicherungen
abschließen.«
    »Nun ja,
liegen ja jede Menge Sachen rum, die sie versichern kann. Da muss ihr doch das
Herz aufgehen, meinst du nicht?«
    »Du
solltest ihr noch einen Taschenrechner und ein paar versicherungsmathematische
Tabellen dazulegen, dann kommt sie sicher richtig auf Touren.«
    »Ja, das
wäre sicher hilfreich. Könntest du mal eben die Leiter halten...«
    Als mir
aufgegangen war, dass ich sozusagen doppelt gebucht hatte, war mein erster
Gedanke gewesen, das Essen abzusagen. Auf den ersten Blick schien es ziemlich
sinnlos zu sein, eine Romanze mit Laura anzuleiern, wenn ich am nächsten
Morgen praktisch tot sein würde. Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto
mehr begann ich mich zu fragen, ob die beiden Ereignisse nicht irgendwie
miteinander verknüpft waren. Wie lange hatte ich auf diesen Abend gewartet, wie
viele Male hatte ich von dem Augenblick, wenn sie durch diese Tür kam,
geträumt? Hatte vielleicht das Schicksal es so gewollt, dass mein erstes
Treffen mit Laura und mein Abflug von Amaurot zusammenfielen? Wollte das
Schicksal mir sagen, dass unser beider Geschicke miteinander verwoben blieben?
Sollte die uns verbindende Bande so stark sein, wie mir mein Gefühl das sagte,
könnte es dann sein - ich wagte es gar nicht zu denken -, könnte es dann sein,
dass wir irgendwie unseren Weg gemeinsam fortsetzten, sozusagen über das Grab
hinaus, dass sie mich in mein neues Leben begleiten würde?
    Kurzum,
ich beschloss, das Abendessen würde stattfinden, auch wenn es etwas lästig war.
Angesichts der Umstände und

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