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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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für 'n
Scheißfrieden ist das. Und am Ende stellen wir uns Raketen in 'n Garten und
üben, wie wir Bomben auf Krankenhäuser schmeißen...«
    »Nun ja,
ich meine...«
    »Also
dann, bis später. Ach, übrigens, mit den Gasleitungen sind wir nicht mehr ganz
fertig geworden. Also, keine Lagerfeuer oder so was, ha ha! Bis dann.«
    All das
hatte ich MacGillycuddy erklärt. »Ist doch ganz plausibel: Es ist spät, und
bevor ich schlafen gehe, schaue ich noch mal kurz nach dem Turm. Nichts ahnend
mache ich ein Feuer - und bumm ! In tausend Fetzen fliege ich in die Luft. Eine undichte
Gasleitung, was soll man sonst glauben? Absolut überzeugend. So was passiert
wahrscheinlich jeden Tag. Ich verstehe nicht, worüber Sie sich Sorgen machen.«
    »Gut,
gut«, sagte MacGillycuddy mit schwerer Stimme. »Gut, gut. Ich werde mich dann
um die Vorarbeiten kümmern.« Und er legte den Zeitpunkt fest, an dem ich,
Charles, sollte ich den Wunsch haben, mit dem Turm in die Luft zu fliegen, vor
Ort sein solle.
    »Was ist
mit der anderen Sache?«, fragte ich ihn. »Die Frank-Falle - ist damit alles
klar?«
    »Ja,
verschwinden Sie aus dem Salon bis...«
    »Nicht der
Salon, verdammt, das Speisezimmer! Es spielt sich alles im Speisezimmer ab. Da
ist nichts im Salon, warum also sollte man das filmen?«
    »Okay«,
sagte er langsam. »Ich postiere mich also ab elf Uhr außerhalb des Speisezimmers, und wenn er was mitgehen lässt...«
    »Der lässt
hundertprozentig was mitgehen. Der Bursche ist so zurückhaltend wie eine
salonikische Straßenstrichnutte.«
    »Und den
Film gebe ich Ihrer Schwester, richtig?«
    »Ja, aber anonym. Sie darf
nicht wissen, wer dahinter steckt. So kann ich ihr die Tatsachen auftischen und
verletze nicht das Abkommen. Wir haben doch dieses Abkommen, Sie wissen
schon.«
    »Ah ja,
richtig.« Draußen begann es zu dämmern. Laura würde bald kommen. Wir besprachen
flott die restlichen Einzelheiten, weniger wichtige Dinge wie das Bargeld, das
er für mich beschafft hatte, und das Flugticket, das er auf falschen Namen für
mich gekauft hatte. »Warum eigentlich Chile?«, fragte er.
    »Wegen des Weins, weshalb sonst?«
    »Oh.«
    »Er hat
zwar noch so seine Kinderkrankheiten, eine gewisse jugendliche Sprunghaftigkeit
etwa, lässt jedoch schon alle Anzeichen künftiger glanzvoller Reife erkennen.«
    »Oh«,
sagte er wieder und setzte dann nach einer kurzen Pause hinzu: »Also dann,
alles Gute. Wenn wir uns nicht mehr sehen sollten.«
    »Danke«,
sagte ich ziemlich gerührt. Dann knackte es in meinem Hörer, und die Leitung
war tot.
    Wieder
spürte ich dieses eisige Ziehen im Magen. Jetzt gab es kein Zurück mehr, das
Knacken hatte das Ende meiner unschuldigen Jugend besiegelt. Mein Exil aus
Amaurot nahm seinen Lauf. Einen Augenblick lang verfiel ich in Panik. Wohin
würde ich gehen? Was würde ich tun? Gab es in Chile Croissants? Aber es war
nur ein Augenblick. MacGillycuddy hatte Recht: Man musste positiv denken. Und
auf gewisse Weise war es erfrischend, so ein Leben voller Intrigen und
listenreicher Ausflüchte. Vielleicht fühlten sich all die Menschen so, die
jeden Morgen in ihre Büros und Konservenfabriken marschierten. Für sie war
jeder Tag ein neues Abenteuer. Und bald würde auch ich meinen Platz unter ihnen
einnehmen. Bald wäre ich weit, weit weg, aller Sorgen ledig, und nichts
brauchte mich mehr zu kümmern ... Und trotzdem, so sehr ich mich auch bemühte,
ein Teil von mir träumte schon jetzt den Traum, in dem ich in nebulöser Zukunft
nach Hause zurückkehrte: In Kampfuniform und mit Fidel-Castro-Bart robbte ich
über den Rasen und lugte durch die Vorhänge in den Salon, wo Bel und Mutter -
älter, weißhaarig - ihre Handarbeit unterbrachen, um wehmütig ihres edlen
Sohnes und Bruders zu gedenken, für den sie am Kamin immer noch einen Platz
freihielten. Dann nahmen sie ihre Näharbeit wieder auf, sicher und geborgen
ruhend in der großen Illusion, die ich ihnen hinterlassen hatte...
    Die Uhr schlug sieben. Ich mixte
mir einen letzten Beruhigungs-Gimlet und eilte in mein Zimmer. Ich legte
Kragen und Manschettenknöpfe an, band mir die Krawatte um und wienerte meine
Schuhe. Unter dem Bett schaute die kleine Tasche mit den Habseligkeiten hervor,
die ich mir mitzunehmen gestattete: ein Sprachführer für Lateinamerika, eine
kärgliche Barschaft in Dollars und Pesos, eine gleichsam spartanische Auswahl
an Socken und Unterwäsche, ein Familienporträt, an Stelle eines Fotos von Bel ein
Plastikdiadem, das sie vor vielen,

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