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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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scharf
nach rechts und rief: »Wo bist du, Mirela? Wir müssen uns beeilen...«
    »Hey,
hallo!«, rief ich der enteilenden Gestalt hinterher und räusperte mich
übertrieben. »Hallo, Mrs P, jetzt hören Sie ... aua!« Ein Tropfen heißen
Wachses war an der Kerze herunter- und auf meine Hand gelaufen. »Ich ...
verdammt ... Ich bring eben die Kerze weg, warten Sie hier.« Ich ging hastig
ins Speisezimmer, während Mrs P, ein weißes, blasses, kleiner werdendes
Viereck, in entgegengesetzter Richtung davontrottete.
    »Was ist
los mit ihr?«, fragte Laura, während ich nach einem Kerzenständer suchte.
    »Nichts,
sie ist nur ein bisschen ... Wo sind Bel und Frank?« Sie war allein im Raum.
Melancholisch-sehnsuchtsvoll posierte sie an einem Schrank aus Rosenholz. Ich
musste zugeben, dass Kerzenlicht ihr gut zu Figur stand.
    »Weiß
nicht«, sagte sie mit einer Art absichtsvollem Schulterzucken, als wolle sie
andeuten, dass dies keine unbedingt negative Entwicklung sei. »Sind wohl ins
Bett.«
    Mir war,
als hätte sie das letzte Wort um eine Winzigkeit stärker betont. Aber ich
konnte mir dessen nicht sicher sein. Ich rammte die Kerze in einen Ständer.
Jetzt konnte ich sie mir genauer anschauen. Ihr unschuldiger Blick war dem
Kamin zugewandt, als dächte sie über etwas nach. Aber ohne jeden Zweifel hatte
irgendeine Veränderung stattgefunden. Sogar ihre Körperhaltung war jetzt
anders. Sie lehnte mit schamlos vorgeschobenen Hüften an der Vitrine, die Hände
steckten in den Hosentaschen. Ein Knopf an der Bluse stand offen, und einzelne
Haarlocken hingen ihr erotisch wirr in die Stirn.
    »Tja, ist
ziemlich spät geworden«, sagte ich zweideutig, schlenderte herum und steckte
Kerzen in Kandelaber. Kaum wahrnehmbar schwankend stand sie da und folgte
meinen Bewegungen mit einem - wie mir schien - einzigartig amourösen Lächeln.
    »Schätze,
ich ruf mir dann ein Taxi.« Ihre Stimme, die jetzt tiefer klang, rauchig und
trocken, rührte an etwas Verborgenem in mir.
    »Schätze,
das ist wohl das Beste«, sagte ich. Sie bewegte sich nicht, ich steckte weiter
Kerzen in Kandelaber. Mit jeder neuen Flamme nahm ich meine Umgebung
verschwommener wahr und steigerte sich mein Verlangen. Schließlich hatte ich
den Eindruck, als lodere um mich herum ein bacchanalisches Feuer, in dem wie
die Nadel eines Kompasses Lauras Gesicht auf und ab hüpfte. Ich fühlte mich wie
Nero, der Roms letzten Walzer dirigiert. »Hat bestimmt Spaß gemacht, das
Wiedersehen mit dem alten Frank, oder?«, sagte ich beiläufig.
    »Ich
wünschte, die Arbeit würde auch immer so viel Spaß machen«, sagte sie abwesend.
Vom Rigbert's glänzte ihre Oberlippe karmesinrot. Sie legte den Kopf in den
Nacken, spreizte die Finger und fuhr damit über die facettierten Schranktüren.
»Wenn ich allerdings so reich wäre, würde ich keinen Tag mehr arbeiten in
meinem Leben.«
    Mein Herz
setzte einen Schlag lang aus. Während sie mich anlächelte, für einen langen,
sonderbaren Augenblick, schien ihre Gestalt von einem gleißenden Glanz umhüllt,
gegen den der Schein der Kerzen verblasste. Aus Angst, ich könnte ihn zerstören,
wagte ich nicht, mich zu bewegen. Hatte ich sie etwa doch falsch eingeschätzt?
Stand jetzt die wahre Laura vor mir? Die Laura, die den Staub der schnöden
Alltagswelt abgeschüttelt hatte? Ich schaute auf die Uhr. Mitternacht. Noch
genügend Zeit, um dem auf den Grund zu gehen.
    »Andererseits
würde ich mich vielleicht langweilen, wenn ich so reich wäre«, setzte sie
gleichgültig hinzu.
    Ich
erweckte den letzten Docht zum Leben und löschte das Zündholz.
    »Was
machst du, wenn dir langweilig wird?«, fragte sie.
    »Weiß
nicht.« Lässig ging ich einen Schritt auf sie zu. »Ich lass meine Sachen
versichern.«
    Sie beugte
sich vor und schaute mir in die Augen. »Bist du eigentlich versichert?«
    Ruckartig
zog ich den Kopf zurück. »Warum fragst du das?«
    »Ich meine
ja bloß«, sagte sie kichernd. »Vielleicht sollte ich dich mal genauer unter die
Lupe nehmen. Wo ich schon mal da bin, der Vollständigkeit halber.«
    Ich nahm
ihre Hand. Auf ihrem Gesicht flackerte Kerzenlicht. »Lass uns nach oben gehen«,
sagte ich. Unsere Arme umschlangen die Taille des anderen, wobei ihre Bluse
etwas nach oben rutschte und einen verlockenden, kühl-silbrigen Streifen Bauch
entblößte. Im Türrahmen blieb sie stehen und schaute mich an. »Lässt du die
Kerzen etwa alle brennen?«
    »Spielt
das eine Rolle?«
    »Wegen der
Feuergefahr«, sagte sie undeutlich.

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