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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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verwechseln?« Ich stopfte mein Hemd in die Hose.
»Franks Handgelenke sind wie Feuerlöscher, und dann dieser ganz eigene Geruch...«
    »Feuerlöscher?«
Ihre Stimme klang jetzt ziemlich erregt. »Was ist los mit dir, Charles? Wo ist
Frank?«
    »Ich
dachte, er wäre bei dir.« Obwohl es auf der Hand lag, wo er war: Er war unten
und raffte Familienerbstücke zusammen. Laura half ihm wahrscheinlich,
hinreichend begeistert über die Pracht war sie ja gewesen...
    »Bleib
hier stehen.« Bel drückte sich vorsichtig an mir vorbei in den Flur. »Und noch
was, Charles, rühr mich nie mehr an, verstehst du, nie mehr.«
    »Ja, ja,
schon gut«, sagte ich, während sich ihre undeutliche Gestalt auf die Treppe
zubewegte. »Unnötig aufblasen brauchst du die Geschichte nun auch wieder nicht.
Nimm es als das, was es war, als simples Versehen.«
    »Bleib
einfach da stehen.« Sie hatte die oberste Stufe fast erreicht. Dann rannte sie
laut nach Frank rufend schnell die Treppe hinunter.
    Ich weiß
zwar nicht mehr genau, wie ich dort hinkam, jedenfalls fand ich mich in Vaters
Arbeitszimmer wieder. Ich schwankte zum Fenster, schob es nach oben und sackte
über der Fensterbank zusammen. Ich rieb mir die Augen. Der Alkohol wütete in
meinem Kopf wie ein Tropensturm. Mein Geist quälte mich mit bruchstückhaften
Sinneseindrücken: dem Geschmack ihres Lippenstifts, dem leisen Klacken ihrer
Zähne - igitt. Ich atmete die Nachtluft ein und schüttelte heftig den Kopf,
aber eine Art grässlichen, rückwirkenden Prozesses war in Gang gesetzt worden,
der mir die Ereignisse des Abends noch einmal vorführte wie einen
gespenstischen Karneval: der hepatische Glanz eines Bronzebuddhas auf der
Anrichte, Bels geisterhafter Arm um Franks Schulter, leblose, klebrige Austern
in ihren Schalen. Meine Fingerspitzen berührten schweißnass die Fensterbank,
und ich fragte mich, ob ich den Verstand verlor.
    »Huu-huu!«,
erscholl eine Stimme in der Nacht.
    Was war
das? Ich schaute hinaus, sah aber niemanden.
    »Huu-huu!
Charlie! Hier unten!«
    Ich beugte
mich vor. Frank stand direkt unter meinem Fenster. »Alles paletti?«
    »Ach, da
bist du ... ja, ja, bestens.« Wie ein kränkelnder Monarch ließ ich matt meine
Hand kreisen.
    »Du siehst
ziemlich fertig aus, Charlie. Hast du gekotzt?«
    »Nein,
nein, alles okay ... nur ein wenig übernächtigt.« Was machte er da draußen?
Müsste er nicht drin sein, um seinen Raubzug zu vollenden?
    »Ich hab
ein Geräusch gehört, also bin ich raus, um nachzuschauen. Schau dir an, was
ich gefunden hab, in den Büschen!« Neben dem Mond seines mir zugewandten
Gesichts tauchte ein Satellit auf: Mrs P - mit einem Gesicht, das definitiv
noch schlafwandelte. Während der vermaledeiten Verfolgung von Laura hatte ich sie
vollkommen vergessen. »Ah, richtig«, sagte ich einfältig. »Jetzt fällt's mir
wieder ein, sie ist früher schon mal, äh, rumgewandert.«
    »Sie ist
zwischen den Büschen rumgerannt, als wär sie nicht ganz richtig in der Birne.
Glaub nicht, dass sie weiß, was sie grade tut.«
    »Schaff
sie ins Haus, sei so gut.«
    Wie sich
Mrs P dazu äußerte, konnte ich hier oben im ersten Stock nicht verstehen.
    »Sie sagt
dauernd das Gleiche. Wer ist Mirela, Charlie?«
    »Keine
Ahnung. Bring sie einfach...«
    »Moment.«
Eine Tür öffnete sich, und ein zittriger Lichtstrahl fiel auf den Rasen.
    »Ich suche
das Badezimmer«, sagte Laura.
    »Frag
Charlie, der weiß sicher, wo es ist.« Er zeigte zu mir nach oben.
    »Hallo,
Charles!« Sie winkte.
    »Ja, ja,
hallo«, sagte ich knapp und fragte mich, wie lange diese Pantomime noch so
weitergehen würde. »Ich glaube, du warst schon im Badezimmer. Denk mal
genau...«
    »Ist es
nicht schön hier draußen?« Sie hatte ihre Aufmerksamkeit wieder Frank
zugewandt. »Irgendwie erfrischend. Bist du deshalb draußen?«
    »Und schau
dir bloß die ganzen Sterne an...«, sagte Frank wenig überzeugend und legte den
Kopf in den Nacken.
    »Wenn ihr
da noch lange rumsteht, holt sich Mrs P den Tod«, rief ich nach unten. »Ach,
übrigens, Bel sucht dich.«
    »Okay,
okay, Charlie, wo du Recht hast, hast du Recht.« Er hielt die Tür auf und ging
hinter Mrs P und Laura ins Haus. Ich wandte mich vom Fenster ab und setzte mich
an Vaters Schreibtisch. Auf einem Blatt Papier befand sich eine Serie von mit
Farbstiften hingekritzelten Gesichtern. Ich brauchte ein paar Sekunden, bis
ich merkte, dass es sich um immer das gleiche Mädchengesicht handelte. Darunter
waren die jeweiligen Effekte notiert,

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