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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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»Vierundvierzig Prozent aller Brände werden
verursacht durch nackte ... nackte...« Ihr Kopf sank auf meine Brust. »Mann o
Mann, ich bin dermaßen betrunken.«
    »Blödsinn«,
sagte ich mit Nachdruck. »Du bist praktisch nüchtern. Das ist bloß das schwere
Essen.«
    Wir kamen
zur Treppe. Ich versuchte mit einer Hand Laura auszubalancieren und mit der
anderen eine Kerze zu halten. Sie schwankte immer mehr. Plötzlich wurde ich mir
der realen Gefahr bewusst, dass sie einschlafen könnte, noch bevor irgendetwas
passiert wäre. »Erzähl mir von Titanic«, schlug ich
vor, als wir die dritte, dann die vierte Stufe nahmen. Es hatte den Anschein gehabt,
als hätte sie der Film ziemlich beschäftigt.
    »So
traurig«, seufzte sie. »So traurig ... Also die Leute, die ... also, die sind
alle auf dem Schiff ... auf der Ti ... Ti ... Mindestens
sechsmal hab ich den gesehen, und jedesmal musste ich heulen...«
    »Ach ja?«,
stöhnte ich. Außerdem wurde sie schwerer.
    »Leonardo
DiCaprio im Smoking, so schnuckelig ... und Kate Winslet, so schön ... ein
kleines bisschen fett vielleicht, aber was soll's?« Ihre Füße schlugen gegen
die Stufen. »Aber der Verlobte von Kate Winslet ist so ein Arschloch, so ein
Wichser ... der will sie einsperren, dem ist völlig egal, dass sie einen andern
liebt ... Ich hasse solche Leute, die glauben, dass sie was Besseres sind...«
Ihre Miene verdüsterte sich. »Bel auch ... die glaubt, sie ist was Besonderes,
weil sie Schauspielerin ist ... Versteh mich nicht falsch, Charles.« Sie drehte
sich ruckartig um und legte mir einen Finger auf die Lippen, wobei sie uns
beide fast die Treppe hinunterriss. »Versteh mich nicht falsch, ich mag sie
wahnsinnig gern. Aber schon damals in der Schule, da hat sie gedacht, sie ist
die große Schauspielerin und alle anderen sind ja sooo langweilig ... Dabei ist
sie die Todlangweilige ... irgendwann kriegt er's auch mit. Nie ist sie mit uns
weggegangen, auf 'n Bier oder so, immer hat sie in ihrer kleinen Welt gesteckt,
hat sich selbst fertig gemacht und hat sich alle möglichen ekligen Sachen
angetan. Na ja, ist ihre Sache, wenn sie sich unbedingt...«
    Abrupt
brach sie ab, legte den Kopf etwas zurück und schaute mich an. Von der
Oberlippe tropften glänzende Schweißperlen auf mein Hemd. Sie war blass
geworden, und das Kerzenlicht arbeitete nun auch gegen sie. Mit den hohlen
Wangen machte sie einen ausgemergelten Eindruck. »Versteh mich nicht falsch,
Charles«, sagte sie leicht nuschelnd. »Ich meine, sie ist fabelhaft, und ich
mag sie wahnsinnig gern ... Und es ist so toll, dass ich dich endlich kennen
lerne, wo sie in der Schule immer von dir geredet hat, das hat sich immer alles
so großartig angehört, wie bei König und Königin...«
    Sie
verstummte. Wir schauten uns traurig an.
    »Ich
glaube, es ist das Beste, wenn ich dir jetzt ein Taxi rufe«, sagte ich sanft.
    »Charles.«
Sie hatte feuchte Augen und biss sich auf die Unterlippe. »Ja?«
    »Ich
glaube, mir wird schlecht.«
    »Oh.
Schnell, hier lang...« Sie schniefte pausenlos, während ich sie die letzten
Stufen hinauf und durch den Flur zum Badezimmer führte. An der Tür gab ich ihr
die Kerze. »Soll ich hier warten?« Sie machte den Mund auf, um zu antworten,
als sie die Augen aufriss, die Hand vor den Mund schlug und ins Bad stürzte.
    »Ich warte
in meinem Zimmer«, rief ich ihr hinterher. »Wenn du fertig bist, komm rüber.
Zweite Tür rechts.«
    Es folgte
eine Serie pumpender, würgender Geräusche. Ich zuckte mit den Achseln und ging
durch den dunklen Flur in mein Zimmer, setzte mich aufs Bett und spielte
morbide an meinen Manschettenknöpfen herum. Als ich sie angelegt hatte, war ich
voller Mut und Hoffnung gewesen. Es kam mir vor, als läge das eine Woche
zurück. Ich ließ mich auf den Rücken fallen und starrte an die unsichtbare
Decke. Laura konnte nichts dafür, dass sie schön war und ich sie langweilig
fand, es lag an mir. Wenn ich mich bei ihr so dramatisch getäuscht hatte, was
bedeutete das für meine anderen Pläne? Waren die auch Irrtümer? Vielleicht
hatte Bel Recht. Vielleicht gab es hier am Ende doch nichts zu bewahren.
Vielleicht hatte Amaurot sich überlebt, und es war besser, dass die Welt sich
seiner annahm und die Wellen über ihm zusammenschlugen.
    Die Uhr
tickte. Ich holte das 2.0 x 2.5-Foto von Gene unter dem Bett hervor und hielt
es neben dem Fenster in die Höhe. Die Ähnlichkeit war nicht zu leugnen: der
Schnitt ihrer kühl marmornen Stirn, der wohlgeformte

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