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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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die Zickzacklinien und schraffierten
Flächen umgesetzt in teuflische, in Klammern gefasste Gleichungen, eine Serie
von Buchstaben und Maßziffern, die für Farbe, Dichte und Reaktionsfähigkeit
der in Frage kommenden Mixturen standen. Für die meisten Menschen war das
nichts weniger als Alchemie; auch für mich, muss ich gestehen, ergaben sie
nicht viel Sinn. Von der Wand schaute sein Porträt auf mich herab. Warum
konntest du nicht einen normalen Hypothekenvertrag abschließen? Stumm und
vorwurfsvoll blickte ich ihn an. Warum hast du uns allein gelassen mit diesem
Chaos? Ausdruckslos erwiderte er meinen Blick.
    Ich
beruhigte mich wieder und bedachte die ramponierten Überreste meines
großartigen Plans zur Rettung Amaurots. Die Gelegenheit, das stand außer Frage,
eine wie auch immer befeuernde Botschaft oder wenigstens einen guten Eindruck
zu hinterlassen, war zu diesem Zeitpunkt schon dahin. Tod oder kein Tod, die
Chance, Bels Meinung über mich in eine vom anständigen, guten Kumpel etc. zu
verwandeln, schien nicht mehr sonderlich groß zu sein. Was ich geschafft hatte,
war lediglich, ihre Meinung von Amaurot als einer Art South
Dublin House of Usher zu festigen. Kein Wunder, dass
Frank ihr wie eine sichere, verantwortungsvolle Alternative erschien. Ich
hatte sie praktisch in seine Arme getrieben. Die ganze Unternehmung war von
Anfang bis Ende ein Debakel gewesen. Wäre Jesus Christus, dachte ich mir, bei
seinem letzten Abendmahl nur zehn Prozent davon widerfahren, dann könnte man
sicher darüber streiten, ob er überhaupt von den Toten hätte wieder auferstehen
wollen.
    Trotzdem
war ich der Meinung, dass ich die Sache jetzt hinter mich bringen sollte. Ich
stand auf. Dabei fiel mein Blick wieder auf das Gemälde. Spontan entschied ich,
dass Bild weder einem Dieb noch einem Auktionator in die Hände fallen zu
lassen. Ich nahm den Brieföffner vom Schreibtisch und fing an, die Leinwand entlang
des Rahmens herauszuschneiden. Von draußen drangen gutturale, wie aus dem
Jenseits kommende Dialogfetzen herein. Ich stellte mir vor, wie sich Wölfe
zusammenrotten oder wie in einer Art verkehrtem Horrorfilm ein Mob wütender
Monster Frankensteins Schloss in Brand steckt. Als ich die Leinwand
herausgelöst hatte, rollte ich sie ein, faltete sie zusammen und steckte sie
mir in den Hosenbund. Mir war jetzt eine Spur wohler. Dann holte ich aus meinem
Zimmer die Tasche mit meinen Habseligkeiten und ging nach unten, um den anderen
eine gute Nacht zu wünschen und draußen, wo die Wahrscheinlichkeit weiterer
Peinlichkeiten geringer war, den Tod zu erwarten.
    Ich hörte
Stimmen in der Küche. Mein erster Anlaufpunkt war jedoch das Speisezimmer, wo
ich einen Kandelaber nahm und befriedigt feststellte, dass die Anrichte, der
Schrank und die zusammengestellten Tische aus- und abgeräumt waren. Ich nickte
vor mich hin und verließ das Zimmer.
    »Diese
Budweiser-Anzeigen sind einfach fabelhaft ... Hallo, Charles.«
    »Na, wenn
das nicht gemütlich ist!«
    Frank,
Laura, Bel und Mrs P saßen jeder mit einer Tasse Tee um den von einer einzigen
Kerze beleuchteten Tisch herum. Bel brummte etwas wenig Schmeichelhaftes, als
ich hereinkam.
    »Schön
gemütlich«, sagte ich noch einmal. Dann legte ich die Hände auf den Rücken,
ging um den Tisch herum und fixierte dabei bedeutungsvoll Frank.
    »Alles
paletti?«, sagte Frank. Ich lächelte mild. Soll er doch noch den Unschuldigen
spielen, morgen um diese Zeit war das Spiel aus.
    »Möchtest
du einen Tee, Charles?«, sagte Laura. »War eigentlich für eure Haushälterin
gedacht, zum Aufwärmen und so, und dann meinte Frank, dass wir alle einen
trinken könnten.«
    »Hab noch
'n paar Jaffa Cakes gefunden«, sagte Frank und hielt mir die Schachtel hin.
    »Ihre
Haare glänzen so«, sagte Laura zu Mrs P, die definitiv katatonisch aussah.
Ihren Tee hatte sie nicht angerührt.
    »Eigentlich
wollte ich gerade ins Bett gehen«, sagte ich und gähnte. »Aber da ist mir
eingefallen, dass ich Bel noch was Wichtiges sagen muss.«
    Bels
einzige Reaktion darauf war, dass sie mir mit ihrem Stuhl den Rücken zukehrte.
    Ich
startete einen neuen Anlauf - »Ah ... Bel?« - und versuchte mit einem
Ausfallschritt wieder in ihr Blickfeld zu treten.
    »Charles,
bitte, ich will jetzt nicht mit dir reden...«
    »Ja, ich
weiß, nur ganz kurz ... Würdest du bitte damit aufhören, den Stuhl von mir
wegzudrehen?«
    »Und sehen
will ich dich auch nicht. Tut mir Leid, geht einfach nicht.«
    »Es ist
nur, dass...«Ich

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