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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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packte die Rückenlehne des Stuhls und beugte mich über sie.
    »Also gut,
was ist?«, sagte sie laut. »Was willst du mir sagen?«
    »Ah...«
Derart überrumpelt, fiel mir nicht mehr ein, was ich sagen wollte. Ich richtete
mich auf, tappte mit dem Fuß auf den Boden und suchte krampfhaft nach etwas
Passendem, das ich sagen konnte. »Tja, also, gute Nacht, das war das Erste, was
ich...«
    »Fein«,
sagte sie. »Gute Nacht.« Sie verschränkte die Arme und starrte wieder finster
in ihre Teetasse.
    »Tja«, sagte ich unsicher. »Das
war's dann.«
    »Alles klar, Charlie. Nacht.«
    »Gute
Nacht, Charles, danke für das wunderschöne Abendessen.«
    »Schon
gut.« Ich ging wie betäubt zur Hintertür. Meine Füße waren schwer wie Blei.
    »Wo willst du eigentlich hin,
Charles?«, fragte Bel gereizt.
    »Was? Ach, ich geh nur mal kurz
rüber zum Turm.«
    »Um diese Zeit? Weshalb?«
    »Einfach
so«, sagte ich und drehte den Türknauf. »Na ja, hab gedacht, ich geh noch ein
paar Schritte...«
    »Fein.«
Ärgerlich drehte sie sich wieder um.
    »Also
dann, gute Nacht zusammen.« Ich öffnete die Tür. »Und falls wir uns nicht mehr
sehen sollten, also, äh ... seid nett zueinander, na, ihr wisst schon.« Ich
ging rückwärts durch die Tür. »Und baut an einer besseren Zukunft ... und so.
Na ja, egal, wir sehen uns ja sowieso wieder. Trotzdem, nur zur Erinnerung, damit
ihr's nicht vergesst, strengt euch an, immer dranbleiben...« Die Gefühle
übermannten mich. Ich ging schnell nach draußen und schloss die Tür.
    Im Garten
war es kühl und frisch. Ich lehnte mich an die Hauswand und rieb mir die
Augen. Frank hatte Recht. Der Himmel wimmelte von Sternen. Ich blieb eine Weile
stehen und schaute sie mir an: Kerzen im grandiosen Haus des Himmels, wo die
Götter sich anrempelten und stritten, sich entschuldigten und wieder
auseinander gingen.
    Ich fand
MacGillycuddy hinter einer Akazie, die Hände lagen friedlich gefaltet in seinem
Schoß. Die Videokamera, die über ihm in einer Astgabel klemmte, war auf das
Fenster des Speisezimmers gerichtet. Ich nahm die Kamera herunter und drückte
auf den Knöpfen herum, bis die Kassette zurückspulte. Dann hielt ich mir den
Sucher vors Auge. Das Abendessen mit Laura ließ ich im Schnelldurchgang
durchlaufen. Selbst bei Höchsttempo war es noch unerträglich langweilig.
Strichmännchen schlingen Essen, kippen Wein, Köpfe zappeln hin und her wie
Vögel. Bel und Frank kommen herein. Die Strichmännchen flitzen im Zimmer herum.
Dann der Stromausfall: Dunkelheit, Laura kommt mit der Kerze zurück. Ich sah,
wie Bel und Frank das Zimmer verlassen, wie ich zurückkomme und die anderen
Kerzen anzünde, dann vor dem Schrank den kurzen elektrisierenden Augenblick
zwischen Laura und mir, ein belangloser Bruchteil einer Sekunde.
    Kurz
danach unser Abgang. Ich drückte auf Normalgeschwindigkeit. Einige Minuten
vergingen, dann tauchte eine geisterhafte weiße Gestalt auf: die
schlafwandelnde Mrs P. Dann tauchten andere Gestalten auf. Die wegen des
Kerzenlichts schlechte Bildqualität machte es unmöglich, die Gesichter zu
erkennen. Ich sah nur Schatten, Furcht einflößende, übergroße Schatten, die Mrs
P wie die Schutzgeister einer Hexe langsam folgten. In deren schwarzen Pranken
sah man Dinge aufblitzen und wieder verschwinden. Eiskalter Schweiß lief mir
den Rücken hinunter. Ich stieß MacGillycuddy an. »MacGillycuddy! Verdammt,
MacGillycuddy, aufwachen!«
    »Was? Was
ist los?«, brummte er und öffnete seine so genannten Luchsaugen. »Ich war
schon wach.«
    »Quatsch,
Sie haben fest geschlafen.«
    Ächzend
erhob er sich. »Warum sind Sie noch nicht tot?«
    »Verdammt,
MacGillycuddy. Konnten Sie nicht eine Stunde lang die Augen offen halten?«
    »Wieso,
die Kamera läuft doch, oder?«, nörgelte er und zupfte sich kleine Zweige vom
Rücken.
    »Aufgenommen
hat sie schon was«, sagte ich. »Aber ich kapier's nicht. Nach dem, was auf der
Kassette ist, ist Frank vollkommen unschuldig. Danach steckt Mrs P hinter der
Sache. Und irgendwelche Gestalten, die wie übernatürliche Wesen aussehen, haben
ihr geholfen.« Ich drückte ihm die Kamera in die Hand. »Da, sehen Sie selbst.«
    Er spulte
das Band zurück. »Das ist ja ein Ding!«, sagte er, als er alles gesehen hatte.
    »Und was
mache ich jetzt? Sie glauben ja wohl nicht, dass Mrs P mit übernatürlichen
Wesen im Bunde steht, oder?«
    »Schwer zu
sagen...« MacGillycuddy kratzte sich nichtssagend am Kopf.
    »Scheiße,
haben Sie überhaupt nichts gesehen?

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