Murray, Paul
Sie sollten observieren, dafür bezahle ich Sie. Und, warum haben Sie nicht observiert?«
»Bel Kerzenlicht
kann ich nicht observieren. Ich bin nicht Bruder Cadfael.«
»Was?«,
sagte ich.
Wie auch
immer, so fuhr er säuerlich fort, wenn sich hinter dem Möbeldiebstahl
übernatürliche Wesen verbargen, dann sei ich mit einem Priester besser beraten.
Allerdings, fügte er an, würde ich wohl Schwierigkeiten haben, einen
aufzutreiben, der meine ungedeckten Schecks akzeptierte. Sollte es ihm an Barmitteln
mangeln, erwiderte ich sinngemäß, wüsste er doch sicher ein paar Kinder, die
morgen Geburtstag hätten und deren Post er abfangen könne. Er reagierte darauf
mit einer unappetitlichen Bemerkung über Inzucht. Darauf gab ich ihm eine aufs
Ohr. Er revanchierte sich mit einem Hieb in die Nieren, und bevor ich noch
recht wusste, wie mir geschah, wälzten wir uns prügelnd in Buschwerk und Dreck.
MacGillycuddy war einer von der drahtigen Sorte, und er hatte eine
unbarmherzige Ader. Es wäre wohl übel für mich ausgegangen, hätte ich nicht
unter seiner Achsel hindurch zwei stämmige Schatten erspäht - die Schatten, da
war ich mir sicher, hatten auch Gastrollen in dem Video gespielt. Sie zerrten
das Klavier über den Rasen. »Da«, röchelte ich.
»Ha, der
alte >Da-Trick<«, schnaubte MacGillycuddy. »Da! Und da! Ha!«
»Heiligemariamuttergottes«,
heulte ich, als MacGillycuddys Finger sich in meine Augenhöhlen senkten. »Da!
Die Diebe! Sie sind hinter Ihnen!«
MacGillycuddy
hatte zu diesem Zeitpunkt schon einen so klaren Punktvorsprung, dass er es
sich leisten konnte, einen kurzen Blick hinter sich zu werfen. »Heilige
Scheiße!«, brummte er und gab mich frei.
Ich
berappelte mich und keuchte: »Los, hinterher!«
Die
Schatten bewegten sich auf den Turm zu, und zwar, angesichts der schweren
Last, in ziemlich flottem Tempo. Der Knöchel, auf den mir MacGillycuddy
getrampelt war, behinderte mich, und er selbst schien zu zögern, ob er sich
allein auf die Jagd machen solle. Nichtsdestotrotz machten wir Boden gut, als
ein Dritter unseren Weg kreuzte. Er war kleiner und grobschlächtiger als die
beiden anderen und hatte ein knotiges, ganz verschwollenes Gesicht.
»Abend
zusammen«, sagte er »Jetzt passen Sie mal auf«, sagte ich und massierte müden
Hals. »Die Ottomane, okay, oder die Auflaufformen, geschenkt ... aber das Klavier
... Ich weiß ja nicht, ob sie selbst musizieren, aber es gibt
eine Art Bande zwischen einem Mann und seinem...«
»Ich weiß
nix von Auflaufformen«, unterbrach mich der Neuankömmling. »Wollt bloß mal
kurz mit Frank reden.«
»Mit Frank?« Meine
Augäpfel rutschten plötzlich wieder in ihre angestammte Lage, und ich erkannte
den Burschen. Das war der Wichser aus dem Pub. Tödliche Entschlossenheit
loderte in seinen Augen. Er war gekommen, um Rache zu nehmen.
»Geh
einfach ins Haus und frag Frank, ob er nicht mal eben rauskommen kann«, sagte
der Wichser gelassen.
Wir
steckten mitten in einem Bandenkrieg! Konnte die Lage überhaupt noch
beschissener werden? Ich schaute MacGillycuddy an. MacGillycuddy schaute mich
an.
»Nichts wie
weg!«, sagte MacGillycuddy.
Die Tür
fiel gerade hinter uns ins Schloss, als weitere wichserähnliche Gestalten
zwischen den Bäumen auftauchten. Wir platzten keuchend in die Küche, wo Laura
immer noch auf Frank einschwatzte und Bel Mrs P dazu überreden wollte, endlich
aufzustehen. Bel schaute mich verblüfft an.
»Ich hab
gedacht, du wärst im Bett. Was ist hier eigentlich los? Und wer sind Sie?«
»MacGillycuddy
ist der Name, Ignatius MacGillycuddy.«
»Sind Sie
nicht der Postbote?«
»Dafür
haben wir jetzt keine Zeit«, mischte ich mich ein. »Die Sache ist die, dass...«
Es klingelte Sturm.
»Das ist
sicher mein Taxi.« Laura schwang sich ihre kleine Tasche über die Schulter und
stolperte Richtung Tür, sodass ich gezwungen war, einzuschreiten und sie am Arm
zu packen.
»Würdet
ihr mir jetzt endlich mal zuhören. Die Sache ist die ... das Haus wird
belagert, und zwar von dem Wichser und seinen Freunden.«
»Der Kerl
ist wirklich geil auf Prügel«, bemerkte Frank.
»Ja, ja,
wie auch immer, ich möchte nicht, dass die Frauen da mit reingezogen werden.
Also, Bel, du gehst mit Laura und Mrs P in den Keller, Frank, MacGillycuddy und
ich versuchen ... wo ist eigentlich
MacGillycuddy?«
»Eben war
er noch da.«
»Ach, zum
Teufel. Also, Frank, sieht ganz so aus...«
»Charles.«
Jedesmal wenn Bel mich anschaute, glühten ihre Wangen.
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