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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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Penisverlängerung?
    »Sie hat dich verlassen!«, hämmert es wieder und wieder in meinem Kopf. Momentan wäre mir lieber, meine Familie hätte mich verlassen. Aber nein, keine Chance, die ist wie verbrauchte Luft: allgegenwärtig. Noch nicht mal auf dem Bürostuhl hat man seine Ruhe. Da, der Beweis, Antje hat mir in der Mittagspause gemailt:
    Du Armer, deine Trennung ist wirklich schade. Das hat mich echt traurig gestimmt. Im Urlaub kannst du mir mal ganz in Ruhe berichten, was passiert ist. Ich höre dir gerne zu, da kannst du auf mich zählen. Keine Sorge, wir werden dich schon ablenken und beschäftigen! Ist doch Ehrensache, dass wir jetzt umso mehr zusammenhalten. Ich freue mich schon total auf unseren Urlaub!
    Liebe Grüße aus München, Antje
    Sie freut sich auf »unseren Urlaub«. Es ist mein Urlaub! Drei Stunden mit meiner Familie – okay. Drei Tage über Weihnachten – geht so gerade. Aber über drei Wochen …?
    » Andi, du weißt schon, dass du noch im Büro bist?! Wo bleibt die Schlagzeile?« Die ach so lustige Laune meines Chefs hat sich verflüchtigt.
    » Ja, kommt gleich.«
    Was für eine öde Kampagne. Es geht darum, dass in diesem Frühjahr eine neue Wohnsiedlung fertig wird, die vorzugsweise junge Familien beziehen können, besser gesagt: sollen, wenn es nach dem Bauherrn geht. Wie kreativ kann ich heute noch sein? Ich atme tief ein, aus und lasse meine neun gesunden Finger über die Tastatur krabbeln.
    Noch vor Ostern im neuen Nest. Seien Sie eine Hasenlänge voraus!
    Friss oder stirb, Boss.
    Da ist sie ja, meine Badehose, die darf ich wirklich nicht vergessen. Warum liegt die hinter den Socken, habe ich die da hingelegt? Ich werfe sie aufs Bett zu den anderen Sachen. Auch drei Tage nach meinem Gespräch mit Kristin fühle ich mich noch sehr lustlos und wühle mich wehmütig durch meine Klamotten. Den Kleiderschrank sollte ich wirklich mal wieder aufräumen, ohne Kim habe ich ja jetzt die Zeit dazu. Wenn ich aus dem Urlaub zurück bin, kümmere ich mich darum, höchstwahrscheinlich. Auch die leichte Jeans packe ich schon mal in die Reisetasche. Den gelben Pulli könnte ich endlich mal zur Altkleider-Sammlung geben. Ich ziehe ihn aus dem Stapel im obersten Fach. Nichts gegen die Farbe, die habe ich immer gemocht. Trotzdem – raus damit. Ich brauche Veränderung, will aber nichts mit meinen Haaren machen.
    Oh, da liegt ja auch Kims hellblaues Schlafshirt, ich halte es hoch. Es riecht nach ihr. Klar, ich könnte es einstecken und armen Asiaten schenken. Ich könnte allerdings auch mal wieder mein Zimmer lüften. Als ich das Fenster weit öffne, fällt mir ihr Shirt aus der Hand und segelt in den Schneematsch. Uiuiui, wie ungeschickt von mir.
    Den schwarzen Kajal, der im Badezimmer liegt, darf ich nicht vergessen. Kim fand es immer ganz schlimm, wenn ich mir mit ihrem Schminkstift die ersten grauen Haare farbkorrigiert habe. Wenigstens den hat sie mir gelassen. Ich will nun mal nicht sehen müssen, dass ich älter werde, und ausreißen ist nicht drin, sonst werden die Geheimratsecken ja noch größer. Verdrossen stecke ich die übrigen Utensilien in die Reisetasche. Nur mit einer Hand zu packen dauert ewig. Einen Arzttermin zu vereinbaren und den Verletzungsgrund erklären zu müssen ist mir jedoch viel zu peinlich.
    Mein Telefon klingelt. Womöglich ist sie es und will …? Ich springe über meine Klamotten zum Gerät hinüber. »Mutti« leuchtet es im Display und schmettert damit jede Hoffnung ins Aus.
    » Andi, wie ich mich freue! Kristin fährt also auch mit, in der Zeit muss sie wenigstens keine Überstunden machen, du kennst das ja bei ihr. Danach habe ich Antje angerufen, sie hat sofort zugesagt, spontan wie sie ist. Ich habe dann alles mit der Reiseagentur geregelt, die Nummer hatte ich ja noch hier. Wir machen wieder einen richtigen Familienurlaub, ganz so wie früher! Ist das nicht toll?« Supertoll. Blöder Veranstalter, er hätte die Teilnehmerliste frühzeitiger schließen sollen. Jetzt muss ich die Familienpackung runterschlucken und noch so tun, als würde sie mir schmecken.
    » Klasse, Mutti. Warum hast du nicht auch noch Julia, Ben und Klaus angemeldet?«
    » Das habe ich doch versucht, Andi! Leider, leider, sie können nicht. Lieb von dir, dass du auch an sie gedacht hast, dann hätte ich alle meine sechs Richtigen beisammengehabt! Tja, das klappt nun leider nicht. Sei nicht traurig, es sind doch schon zwei Geschwister dabei. Und ganz ehrlich, wir wollen dich doch nicht

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