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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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hat, ihre Spuren aus meinem Leben zu tilgen.
    » Genau, das ist in den Unterlagen korrigiert. Neu also: Brigitte und Andi Gerken … oh, Sie haben geheiratet?«
    » Von wegen. Die blöde Kuh hat mit mir Schluss gemacht!« Jetzt guckt mich mein Kollege auffällig irritiert an.
    Die Stimme an der anderen Sprechmuschel klingt immer noch servicebereit, nun aber deutlich nüchterner. » Also keine Flitterwochen.«
    » Davon bin ich weiter entfernt denn je! Ich mache Urlaub mit … mit Brigitte Gerken?« Bitte was? Mein Kollege blickt sich um und legt einen Zeigefinger auf seinen Mund. Ich haue auf den Schreibtisch. »Nein, nein, nicht mit Brigitte!«
    » So steht’s hier«, antwortet die Angestellte reserviert. » Was stimmt denn nicht mit Brigitte?«
    » Sie ist … meine Mutter.«
    Erschöpft lege ich auf, mein Blick irrt durchs Büro. Heute wirkt es besonders kahl.
    Der Kollege ist aufgestanden und kommt zu mir rüber.
    » Alles gut bei dir?«
    » Ach, diese unfähigen Leute vom Kabelanschluss«, seufze ich.
    »Brigitte«, so heißt sie für uns Geschwister natürlich nicht. Wir nennen sie »Mutti«, quasi als Vorname. »Oma« will sie nicht hören, obwohl sie es bereits ist. Brigitte macht vieles mit, sie ist eben ein echtes Muttitalent, was sie mit drei Söhnen und drei Töchtern natürlich auch sein muss. Das klingt nicht gerade nach Verhütung, schon klar, bei diesem Thema hatte Mutti jedoch immer eine klare katholische Haltung: »Gummis gehören ans Einmachglas!«
    Ich will einfach nicht mehr von ihr verhätschelt werden, sie soll mal schön zu Hause bleiben! Okay, als Witwe hat sie schon länger keinen Partner mehr, mit dem sie touristisch Neuland entdecken könnte. Die Fahrt mit dem Senioren-Club nach Tirol ist für Mutti schon eine Weltreise gewesen.
    Natürlich war ich schon mal mit ihr auf Reisen. Früher! Aber diese Familienurlaube, das war doch etwas ganz anderes, das kann man nicht vergleichen. Im Schwarzwald oder in der Eifel sind wir gewesen, »Urlaub auf dem Bauernhof« hieß das in den 80er Jahren. Heute werben die bestimmt mit »Ferien im Funkloch«.
    » Besuch für dich!« Mein Kollege betont das jedes Mal genüsslich, wenn sie in unsere Abteilung kommt: Kristin, meine jüngste Schwester. Anderswo würde es wohl nicht gerne gesehen, wenn wir während der Arbeitszeit miteinander quatschen – aber sie ist die Assistentin des Geschäftsführers, da sagt keiner was.
    » Hey Andi, was habe ich da gehört?«
    » Wie, was gehört?«
    » Na, dass du mit …«
    » Kaffee! Kristin, Zeit für ’n Kaffee!«
    Mein hellhöriger Kollege schaut enttäuscht, als wir an ihm vorübergehen.
    » Andi!« Michaela, eine besonders geschwätzige Kollegin, schiebt ihren dicken Hintern vom Kopierer rüber. » Stimmt das, was ich gehört habe?«
    » Was denn, du auch noch?«
    » Unglaublich, du hast also schon wieder Urlaub?« Ach so. Moment: schon wieder? Ich habe exakt so viele freie Tage wie alle anderen! » Erstaunlich, ne?« Ich schaue ihr ins fragende Gesicht. » Wenn man bedenkt, dass ich für Urlaub überqualifiziert bin.«
    Ich halte Kristin die Tür auf – was ich nicht muss, schließlich ist sie meine Schwester. Die anderen gucken jedoch, daher lasse ich sie vorgehen.
    » Kein Wunder, dass du so kleine Augen hast.« Kristin drückt den Aufzugknopf. » Mensch, das tut mir echt leid für euch.«
    » Danke. Woher weißt du …?«
    » Von Mutti. Sie hat Familienalarm ausgelöst, das läuft.«
    Die Aufzugtüren öffnen sich leicht scheppernd, die Kollegin der Poststelle schiebt ihren Wagen heraus. » Mahlzeit.« Ich kann’s nicht mehr hören, dieser Mittagsgruß gehört echt auf den Index.
    » Das kam für uns alle ziemlich überraschend«, sagt Kristin mitfühlend.
    » Für mich auch. Weiber.«
    » Was hast du denn falsch gemacht?«
    » Wieso ich? Kim hat mich doch verlassen!«
    Kristin zieht einen Mundwinkel hoch, ihre Mimik bemüht sich um Diplomatie, besagt aber letztlich: »Eben, drum.«
    Wortlos trotte ich neben ihr her. Die Kantine ist schon recht gefüllt, Punkt 12 Uhr schlagen die Controller und Personalleute auf. Immer. Ich vermute, das bringt sonst ihren stringenten Tagesablauf durcheinander.
    » Zwei Cappuccino«, bestelle ich. » Zum hier Trinken.«
    » Warum?«, fragt der Mitarbeiter von heute Morgen verschmitzt.
    » Sag mal, Kristin, ist die hausinterne Weiterbildung zum Komiker eigentlich noch aktuell?«
    » Ja.« Sie nimmt sich einen Zuckerbeutel. » Nur schaffen es Witzbolde selten in die

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