Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
nerven.«
Aber nein, auf keinen Fall. Ich sehe es schon vor mir, wie sie mich nicht nerven, und das penetrant. » Danke, Mutti, tschüss.«
» Wie ich mich freue! Ach so, eine Sache noch: Fragst du mal bei der Bahn nach vergünstigten Tickets zum Flughafen?«
» Mutti, mach dich nicht lächerlich! Seit wann haben die echte Angebote?«
» Doch, doch, ich rufe morgen am Hauptbahnhof an!«
» Willst du, dass die sich über dich lustig machen?«
» Ist mir egal, ist doch nur am Telefon. Tschüss.«
Aaah, das geht ja spitzenmäßig los! Ich werde mir schon zu helfen wissen, werde im Urlaub einfach nur schlafen und futtern! Das mag ich, das ist bei mir nicht nur Grundbedürfnis, sondern regelrecht Hobby, oh ja. Auch wenn Antje mir heute noch einzureden versucht, dass Dönerlamm, Grillwürste oder Barbecuerippchen auf Dauer nicht gesund sein sollen. Außerdem setzt das bei mir eh nicht an, ich bin nun mal ein langer Lulatsch. Und sie als Vegetarierin – was versteht sie schon von Fleisch!
Doch, ich finde meinen Sarkasmus wirklich angebracht. Dabei konnte ich noch nicht mal ahnen, welchen Eingriff in mein Privatleben Mutti und meine Schwestern wirklich darstellen sollten.
Meine Reisetasche habe ich schon gut gefüllt, in einem Seitenfach verheddern sich meine Finger in der Schleife eines Geschenks. Autsch! Traurig ziehe ich das Geburtstagspräsent für Kim heraus. Eigentlich hatte ich mich darauf gefreut, es ihr in Vietnam überreichen zu können. Nun schmeiße ich es frustriert in den Mülleimer. Schade um die Designer-Ohrringe, sie sind nun Opfer unserer Beziehung.
Ein Gedanke schießt mir in den Kopf: Ob ich Kim mal eben anrufe? Einfach um zu fragen, wie es ihr geht? Um die Zeit ist sie eigentlich immer zu Hause. Ich schnappe mir das Telefon, scrolle im Rufnummernspeicher bis »K« und drücke die grüne Taste. »Tuut, tuut, tuut«, ertönt das monotone Freizeichen lange. Und es hallt mir noch nach, als ich bereits längst wieder aufgelegt habe.
Bestimmt zwei Stunden liege ich mit dem Rücken auf dem Bett, während an der rauweißen Decke die schönsten Szenen unserer Beziehung vorbeiziehen. Das Laken neben meinem Kopf ist feucht.
Wer nicht leidet, hat nicht am Limit geliebt.
Sonntag, 25. Januar
ROSA HIMMEL FÜR PILOTINNEN C
» Dafür ist die Gepäckablage vorgesehen, junger Mann.« Die Schaffnerin knipst mein Sparticket ab und bedeutet mir, ich solle meine Reisetasche vom Gang nehmen. Ich halte ihr einfach meinen verbundenen Finger hin.
» Andi, bitte. Sonst wird die Tasche noch zur Terrorgefahr«, sagt Mutti ernst.
» Es ist meine Tasche!«
» Trotzdem, sie steht im Weg.«
» Die Gepäckablage, junger Mann …«, äfft Kristin die Bahntussi nach.
Selbst Antje gibt sich kaum Mühe, ihr Grinsen zu verkneifen. » Wir würden dir ja gerne helfen, aber du musst es lernen!«
Wir sitzen im »Ruhebereich« des Wagens, und keiner hält sich dran.
» Wer hat euch denn eingeladen?«, brumme ich und hieve die Tasche in die Ablage über dem Fenster.
Wirklich, sie nerven, und wir sind noch nicht mal am Flughafen.
Ich komme mir vor, als würde ich immer noch am Familientisch im Hochstuhl sitzen: eingezwängt und handlungsunfähig, obwohl ich doch mittlerweile mit beiden Füßen den Boden erreiche.
Mit diesen Gedanken stiere ich durchs Fenster, der ICE lässt die Landschaft vorbeirasen. Tja, nun also zu viert. Dabei war der Plan, nur zu zweit unterwegs zu sein, schön romantisch, um unsere Beziehung noch zu vertiefen. Die Zuneigung meiner süßen Polizistin fehlt mir gerade sehr. Wie kann eine Beziehung nur so schnell zerschellen? Wie eine sanfte Welle, die vor die schroffe Klippe knallt.
Zugegeben, manchmal hatte sie einen etwas rauen Charme. Ach, eigentlich gleich beim ersten Date, als sie in der Bar plötzlich laut ausrief: » Dich saufe ich mir schön!«
Ich musste lachen, ja, ich mag solche derben Albernheiten, und bei Kim wirkte diese schlagfertige Art oft sehr anziehend. Dennoch habe ich etwas später auf dem Kneipenklo mein Spiegelbild ganz genau gemustert. Naja, eigentlich bin ich solche direkten Sprüche doch von meiner Familie gewohnt. Als ich Kristin davon erzählte, meinte sie: » Die Arme, dann wir sie ja bald zur Alkoholikerin.«
Oder wenn ich daran zurückdenke, wie toll Kim bei unserem Urlaub auf Gran Canaria reagiert hat. Eine ziemlich pummelige Frau stand auf einmal vor meinem Liegestuhl, hat mit ihren Wurstfingern auf mich gezeigt und quer über den Strand zu ihren Kegelschwestern
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