Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
hier geht’s rein!«
Das Foyer des Wasserpuppen-Theaters ist bereits gut gefüllt.
» Interessante Aufführung, die spielen wohl die Überschwemmungen des Monsun-Regens nach«, murmelt Harald, jetzt ohne Hartschale unterwegs, während er das Eintrittsgeld aus seinem Brustbeutel nestelt.
Im Theater stehen die Sitze sehr eng, mein Hintern und meine Knie sind zwischen den Lehnen verkeilt. Dafür stehen die Marionettenspieler auf der Bühne mit den Beinen im Wasser – auch nicht besser.
» Schau mal, Kristin, da vorne ist noch ein See.«
» Vollpfosten!«
Ich fühle mich mit Kultur konfrontiert. Das meine ich nicht abwertend, aber ich verstehe nicht ganz, was die hier von mir wollen. Offenbar soll dieses Kasperletheater die Arbeit mit Büffeln auf den Reisfeldern darstellen, was von melancholischer Singsang-Musik übertönt wird. Das alles scheint mir sehr auf die Touristen zugeschnitten, trotzdem applaudieren im Publikum überwiegend Asiaten. Eigenartig. Ach so, das sind dann wohl Touris aus China und Japan. Ich denke mal, ein hoher Prozentsatz Japaner ist geradezu gezwungen, ständig überall auf der Welt im Urlaub unterwegs zu sein. Na klar, sonst würden sie sich ja im eigenen Land noch mehr auf den Füßen stehen.
Mechthild posaunt ihre Vorfreude frei heraus. » Weißte, Kurt, das ist ja jetzt schon meine größte Erholung … hier nicht für dich kochen zu müssen!«
Die Gäste im vietnamesischen Lokal drehen sich nach der lauten Seniorin in Khakiklamotten um. Tataa, die Deutschen sind da. Wir sollten die Nationalhymne anstimmen.
» Weißte was, Frau, genau deshalb wird es mir in diesem Urlaub wunderbar schmecken!« Dabei schiebt sich Kurt an einer Gruppe von Backpackern vorbei und drängt als Erster an unseren reservierten Tisch. » Auftragen!«, dröhnt er, ohne bestellt zu haben.
Toll, ich bin nicht der Einzige, der jetzt temporeich was auf den Teller will. » Meine Rede, zackzack das Ganze!«, pflichte ich ihm bei.
» Seid ihr denn schon so hungrig?«, erkundigt sich Jana.
» Mittag- oder Abendessen, bei dem sind die Übergänge fließend«, sagt Kristin und zeigt auf mich. » Andi, frag doch die Tiere in der Küche, ob sie für dich schneller gar werden.«
» Pah.« Als wenn Obelix das Wildschwein fragt, wie flott er es grillen darf.
» Tja, wenn du dich nicht traust.«
» Was hat das denn mit trauen zu tun?«
» Feigling.«
Feigling ist ein Wort, das ich im Zusammenhang mit mir nicht hören will!
» Natürlich könnte ich mal nach dem Rechten sehen, ab er …«
» Gut, und bring Bier mit!«, poltert Kurt.
» Aber … klar doch!«
Blöd, jetzt haben sie mich in die Küche gequasselt, ich kann nicht mehr zurück. Über einen Gang linse ich durch die halboffene Küchentür. Die Woks dampfen. Ach was, die dampfen nicht nur. Die zischen und fauchen. Stichflammen züngeln. In asiatischen Küchen scheint mehr los zu sein als in ihren Actionfilmen. Los, Andi, gib dich locker. Mit einem lässigen Blick zu Kristin stoße ich die Küchentür ganz auf.
» Hey, Bruce Lee, alles easy im Knie!?«
Der Koch hat mit meinem Besuch eindeutig nicht gerechnet. Im Küchendunst wirkt er wie ein Geist aus dem Gruselstreifen Nebel des Grauens, nur dass sein weißes Leinen schmutziger ist. Aus kleinen Augen glotzt er mich an. Verschwitzt ist der falsche Ausdruck für sein Gesicht. Es ist verwässert.
» Will nur mal gucken, wie’s hier so läuft.« Mit einem Finger fahre ich durch das Mehl auf einem Holzbrett. » Sieht gut aus. Weitermachen.«
Er setzt kurz zum Lächelreflex an, hackt dann aber mit seinem langen Messer weiter Grünzeug auf einem Brett, das von Narben übersät ist. Aus allen Ecken klappert und duftet es angenehm aromatisch. Was genau in den Töpfen und Woks kocht, kann ich durch den Dampf nicht erkennen. Obwohl, es interessiert mich schon, weiß ich doch, dass die Asiaten auch Skorpione und Schlangen futtern. Ja, sogar Schildkröten essen die. Das ist allerdings nicht so mein Ding. Ich glaube, das ist auch nicht so das Ding von den Schildkröten.
Eine Maggi-Flasche sehe ich nirgends, anscheinend stehen die Vietnamesen nicht auf fertige Gewürztunke. Dafür mischen sie den Speisen asiatische Schalotten, Thai-Basilikum, Zitronengras, ja sogar getrockneten Fisch oder Kokosnusscreme bei. Der dürre Koch brät Gemüse, Reis und Reisnudeln kurz extrem heiß an, so dass alles von außen geröstet und innen durchgegart wird. Dann füllt er die Teller – eigentlich eher mit einem Erlebnis als mit
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