Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
gab das abends am Feuer rundum zufriedenes Männergrunzen. Seitdem ist das Sozialverhalten so kompliziert geworden, dass ich nicht unbedingt von einem Fortschritt sprechen würde.
» Ladys first «, sagt Toni galant, hält mich zurück und lässt an einem engen Durchgang meine Schwestern und Mutti vorangehen. Dann zeigt er mir begeistert einen gewaltigen Stein, der steil nach vorne absteht.
» Siehst du den Phallus?«
Ja, Toni. Nur bedeutet er mir nichts, weil mein eigener gerade Betriebsferien hat. Nicht mal die Kraft des Skorpions konnte ihn wachrütteln. Schuld daran ist natürlich meine Exfreundin, die ihn doch einfach nur benutzt hat, was ich dem umtriebigen Toni aber gar nicht erklären will, also nicke ich scheinbar beeindruckt. Als habe er diese angemessen männliche Reaktion erwartet, erläutert er mir kumpelhaft, dass mich zusätzliche Potenzpower überkommen würde, wenn ich über den nackten Stein streiche. Dabei senkt Toni seine Augenlider verschwörerisch zu noch engeren Schlitzen. Weil er ein netter Kerl ist, tue ich ihm den Gefallen. Hand drauf.
» Was macht ihr da?« Harald ist uns gefolgt. » Handelt es sich um eine historisch bedeutsame Stätte?«
» Anfassen, hier kriegst du ’n Ständer.«
Er berührt den spitzen Fels erst zaghaft, dann klammert er sich regelrecht daran fest. Naja, jetzt weiß ich also, dass neben dem Skorpion-Saft weitere Tricks zu Leidenschaft in den Lenden führen … sollen. Die Vietnamesen könnten doch mal überlegen, sich von ihren Frauen erregen zu lassen, ganz klassisch sozusagen. Nach einem halben Kilometer Rundgang treten wir aus dem urzeitlichen Hohlraum wieder ins Morgenlicht. Jana zählt durch, als wir uns an der Dschunke sammeln.
» Acht, neun … einer fehlt! Wo bleibt … Harald?«
Da drängelt sich unser Mann mit Strohhut durch die anderen Touristen über den Steg.
» So, vollzählig. Na, hat die Grotte deine grauen Zellen stimuliert?«
» Die auch, Jana. Die auch.«
Ganz gelassen schippert die Dschunke über die grünlich glänzende See, zurück zum Hafen hat sie keine Eile. Ich sowieso nicht, auf einer Liege neben dem Mast blättere ich unmotiviert in einer Männerzeitschrift, die ich im Flugzeug mitgenommen habe. Lesen ist gut, dabei wird man nicht gestört. Schlafen ginge auch, wäre aber so kurz nach dem Frühstück unglaubwürdiger.
»Mehr Sex! Mehr Muskeln! Mehr Geld!«, verspricht schon die Titelseite.
Klasse, gleich drei Sachen, die ich so eher weniger habe. Jetzt muss ich mir schon meine eigenen Mängel vor Augen führen, um meine Ruhe haben zu können.
»10 Tricks, wie Sie jede Frau ins Bett kriegen«, die Überschrift ist ja besonders plakativ. Na, die sind ja ganz dicht dran an ihren Lesern. Wo dagegen stehen die zehn Tricks, wie man sich seine Familie vom Leib hält?
Der Artikel liest sich wirklich sehr durchschaubar. »Hören Sie ihr zu«: Was für ein Trick soll das denn sein? Ich bin PR -Mann, mit »Zuhören« gewinne ich keine Kunden, dafür braucht es Action! Zuhören, ha. Wie soll man denn dabei die Frauen flachreden? Toller Tipp, der Autor versteht ja richtig was von Kommunikation. Bei meiner Ex-Kim habe ich häufiger nicht zugehört, oft sogar ganz bewusst weggehört. Also, ich habe sie dabei angeschaut, ansonsten galt allerdings: Ohren zu und durch. Nebensätze, klar, die gibt es, und die wollen auch genutzt werden. Aber die sind doch bestimmt selber froh, wenn sie mal zum Punkt kommen. Ich mag nun mal Aussagen wie Schlagzeilen: kurz, knackig, informativ.
» He, Andi, trägst du wieder deine blau gepunkteten Boxershorts?«, fragt Jana unvermittelt.
Sie sind rot gepunktet, und ich trage sie nicht! Ich sehe von meinem Männermagazin auf, Jana plaudert weiter mit Vera.
» Andi ist ja schon etwas speziell.« Jana stört völlig unnötig die Stille. Gibt es denn kein anderes Thema? Da ist Landschaft, da sind diverse andere Reiseteilnehmer, da ist Entspannung. Und die beiden quatschen über mich! Was erlaubt sich Jana überhaupt, so über mich zu reden? So weit außerhalb meines Selbstverständnisses nämlich. Es ist doch so, dass ich eigentlich ein relativ wichtiger Typ in meiner Welt bin.
» Schönes Wetter heute«, murmle ich.
Nein, ich stehe nicht gerne im Mittelpunkt. Jedenfalls nicht so! Am liebsten wäre mir, ich wäre anwesend, aber für die anderen unsichtbar. So wie Pumuckl, wenn er sich wegversteckt.
» Andi hat wohl schlecht geschlafen«, vermutet Vera.
» Oder die Anleitung zum Satzbau verlegt.«
» Jana,
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