Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
jetzt mach mal ’n Punkt!« Ich bitte nicht, ich fordere.
» Einen blauen oder roten?«
Frauen! Dieses Geplapper ist doch wirklich so deplatziert wie ein Albino auf der Sonnenbank.
Wie gut, dass wir gleich vom Schiff sind. Jana sollte wirklich mal wieder festen Boden unter die Füße kriegen.
Fast aufgekratzt ruft sie über Deck. » Andi, du bist so … seltsam!«
Alle lachen. Warum?
Andi. Auf einmal passt mir sogar mein eigener Name nicht mehr. Der ist allerdings auch seltsam. Welcher Mann von Welt heißt schon Andi? »Andreas«, so wurde ich zuletzt auf meiner Geburtsurkunde genannt. Ich bin ein Mann von Welt! Auch wenn ich mich dabei erwischen lasse, gepunktete Boxershorts zu tragen. Ich muss jetzt etwas Weltbewegendes sagen, ich muss. Ich bin schließlich Profi! Los jetzt, sei schlagfertig, bitte! Fragt mich nach einem Slogan, ich hau ihn raus! Ich mache den Mund auf und … lächle dümmlich. Verdammt, ich bin nicht sprachlos, ich bin überfordert!
» Andi, möchtest du etwas sagen?« Obwohl Vera lächelt, scheint sie mir gerade nicht übertrieben freundlich gesinnt. Walter hat seine Frau aber auch so gar nicht im Griff.
Alle schauen mich erwartungsvoll an. Kerl, jetzt sag endlich was Gescheites. Irgendwas!
» Ich, äh, bin ja Sternzeichen Jungfrau.«
Super. Sehr wortgewandt, echt weltgewandt. Ich kann einpacken.
Walter zieht die Augenbrauen hoch, auch Jana weiß meine Aussage nicht direkt zuzuordnen. Vera reagiert wieder am schnellsten. » Gut, ja, diese Aussage ist intimer, als wir erwarten konnten.«
Zu ärgerlich, dass diese Dschunke keine Rettungsboote hat. Sonst könnte ich mich darin unter der Plane verkriechen. Rettungsboot, der Name wäre Programm.
» Andi, hast du dich eingecremt? Auf dem Wasser brennt die Sonne stärker.« Entweder hat Mutti nichts mitgekriegt, oder sie will gerade geschickt ablenken.
» Äh, ich muss mal«, flunkere ich und stehe auf. Herrje, wie viele » Äh’s« will ich mir diesen Urlaub eigentlich noch leisten? Ich bin doch gar nicht der Typ fürs » Äh«-Sagen! Ich bin der Typ, der weltmännisch … der wieder dümmlich lächelt und Richtung Klo flüchtet.
Sven sitzt etwas abseits, ausgerechnet in eine Bibel vertieft. Betet er jetzt schon um Wellen? Er! Er ist der komische Kauz. Und was ist das überhaupt für ein Name: Sven.
» Salem Aleikum«, verabschiede ich mich beim Verlassen der Dschunke weltmännisch. Die Mannschaft steht Spalier und lächelt südostasiatisch.
Auf der Fahrt zurück nach Hanoi sehen wir aus dem Busfenster Ferkel, die allerdings nicht an der Straße laufen, sondern hinten auf Mopeds festgebunden sind. Die kleinen Schweine liegen auf dem Rücken, die Beinchen zappeln in der Luft. Antje reagiert am schnellsten und fotografiert diesen Tiertransport.
» Bequem ist das aber nicht für die!«, mokiert sie sich. Die Mopedfahrer haben sogar eine richtige Berufsbezeichnung, wie uns Toni von vorne wissen lässt: » Pig Dealer!«
Antje zeigt mir die Fotos im Display ihrer Digitalkamera, aber vermutlich eher als Vorwand denn aus Stolz. » Ich habe gesehen, was du vorhin gelesen hast. Du, Sport ist echt geeignet, Ausgleich und Zufriedenheit zu schaffen.«
» Gut, dann kannst du ja für mich mit trainieren. Zehn Liegestütze bitte.«
» Bruder, das weiß ich doch aus meiner Physiopraxis: In deiner jetzigen Situation, da brauchst du wirklich etwas, das ganzheitlich und nachhaltig wirkt. Körperlich wie geistig.«
» Gut, hast du ’n Wodka da?«
Drei Stunden später checken wir im selben Hotel ein, in dem wir bereits die erste Nacht verbracht haben. Na toll, das verstärkt noch mein Gefühl, mich im Kreis zu drehen. Sogar dieselben Zimmer belegen wir. Ich begrüße »mein« Bett, indem ich meinen Rucksack darauf werfe.
Auf einmal baut sich Mutti vor mir auf. » Junge, du musst dich entschuldigen!«
Ich weiß zwar nicht wofür, aber ich will keine Diskussion.
» Entschuldigung.«
» Quatsch, nein, doch nicht bei mir.«
Ich packe einige Klamotten auf den Stuhl und sehe sie fragend an.
» Na, bei Jana!«
» Nee, echt nicht.«
» Andi, ich will jetzt keine Diskussion! Deine Schwestern haben mir erzählt, dass du Jana gestern beleidigt hast, also sagst du, dass es dir leidtut!«
» Ich habe lediglich gesagt, dass sie nichts für mich ist.«
» Dann entschuldigst du dich auch dafür!«
Muss sie meine Würde derart zerdeppern? Wofür habe ich ihr denn in der Grundschule zum Muttertag immer Herzchen aus rotem Krepppapier gebastelt? Außerdem
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