Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
kühlt, womit wohl auch jegliche Zaubertrankregung abgeflaut ist.
» Ihr seid ja ganz nass«, stellt Jana fest, als wir zurück aufs Schiff tropfen. » Moment, hier.« Sie greift nach zwei frischen Handtüchern und überreicht sie uns lächelnd.
» Das nenne ich mal eine super Reiseleitung!«, lobt Walter.
» Danke, guter Service«, sage ich.
Die kirschbraunen Holzbalken und der rötlich schimmernde Mast verbreiten Seeräuber-Romantik. Unsere Bierdosen glitzern in der untergehenden Sonne.
» Na, ihr habt ja Durst«, stellt Sven fest.
» Und das ist nur das Vorgeplänkel!« Ich proste ihm genießerisch zu.
Sven trinkt Wasser. Wie langweilig. Vermutlich fühlt er sich seinem Element verpflichtet.
» Was arbeitest du eigentlich auf’m Trockendock?«, fragt ihn Walter.
» Tierarzt.«
Warum ist er denn kein richtiger Arzt geworden? Vielleicht will er nichts mit Menschen zu tun haben, so verschlossen wie er ist. Tierarzt. Das passt zwar nicht zu Svens Surfer-Look, aber bei Clint Eastwood denkt man ja auch nicht, dass der mal Bademeister war.
Jana steigt über die Ankertaue und stellt sich zu uns. Sie trägt ein hellgrünes Oberteil und hat ein Tuch locker über die Hüfte geschlungen. Gut, dass sie da ist. Jetzt bin ich ausreichend relaxt und alkoholisiert, mich bei ihr zu entschuldigen. Wenn ich getrunken habe, bin ich immer so authentisch.
» Heyyy …«
» … Jana.« Sven ergänzt mich ohne meine Erlaubnis. » Schön siehst du aus, schicker Stoff.«
Na, also so was. Erst schweigt sich Mr. Lässig durch den Urlaub – und jetzt unterbricht er mich dauernd bei Jana, schwatzt geradezu unaufhörlich auf sie ein. Ich sollte ihm klarmachen, dass ich kein Konkurrent bin. Wobei ihr das Shirt wirklich gut steht.
Jana hört dem Womanizer zu, klar, ist ja auch verständlich. Tiefblaue Augen und zack, ist es um die Mädels geschehen. Wie das eben so ist, wenn Pferdeflüsterer unterwegs sind.
» Daneben bin ich doch nur der Stallknecht«, raune ich Sven zu.
Er schaut fragend zurück.
Letztlich ist doch immer das Aussehen der springende Punkt. Ich habe es oft genug erlebt, dass Humor und Charme – entgegen aller Umfragen – doch nur Silber und Bronze geholt haben. Aber selbst wenn die Kraft des Skorpions in mir strömt, es gibt keinen Grund, hier in Aktion zu treten. Ich klopfe Sven gönnerhaft auf die Schulter.
Und wenn mir doch eine Frau in Vietnam gefallen sollte? Dürfte ich überhaupt mit ihr etwas anfangen – so kurz nach Kim? Mit Nachbarin Monika, ja blöd, aber das ging nicht von mir aus! Ich meine, meine Ex liegt womöglich schon mit einem Neuen im Bett, dabei haben wir doch erst vor knapp zwei Wochen Schluss gemacht. Schlampe! Nein, ist sie nicht. Aber enttäuscht, wie ich bin, muss ich das doch vermuten! Ein blöder Gedanke, ja, aber er blockiert mich. Die Ecke des Gehirns, in der ungewollt die inneren Bilder auftauchen – ich sollte sie tottrinken.
» … du betreust in deiner Freizeit also Kinder? Alle Achtung.« Jana sagt das ehrlich angetan. Das auch noch, Stuten- und Kinder-Flüsterer. Wobei dieser Trick von Sven recht durchschaubar ist und älter als das Trojanische Pferd. Wenn Jana darauf reinfällt, hat er meinen Respekt. Okay, Sven ist auch bei den anderen Frauen in der Gruppe beliebt. Sogar bei Mutti. Geschenkt. Ich dagegen kann nicht surfen. Ich kann noch nicht mal am Strand Gitarre spielen.
Dennoch kann es auf dieser Dschunke nur einen Jack Sparrow geben! Mich. Wenn Depp, dann Johnny. Aye, Aye, Käpt’n Jack Andi Sparrow! Ich sollte »Attacke« nicht nur denken, sondern endlich leben!
» Walter, Generaloffensive!«
Ha, wir sind doch keine Pleitepiraten, die an irgendwelchen Planken wegrutschen. Im letzten Tageslicht sehe ich das Weiß in seinen wachen Augen, wortlos gestikuliert er mir zu. Nach so viel Heldenmut und Dosenbier an einem Nachmittag hat Walter nur noch Konfetti im Kopf. Er rudert mit seinen Armen durch die Luft, flattert mit den Fingern und fasst seinen Masterplan verschwörerisch in einem Wort zusammen: » Abendbrot!«
» Kinder, wenn ihr mich braucht, ich bin drüben.« Mutti hat sich zu Mechthild und Kurt am Nebentisch abgesondert. Als Jana mit Sven den Speiseraum betritt, prescht Antje vor. » Jana, setz dich doch zu uns.«
» Okay.« Jana rutscht auf die leere Bank neben mich.
» Noch nicht ablegen, ich bin auch dabei!« Walter stößt Sven fast um, und schwupps sitzt auch er neben Jana. Sie hockt nun zwischen uns Bade-Brüdern, eingekeilt wie Bambi von zwei
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