Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
mir in den Schritt. » Stimmt.«
» Spinnst du? Pfoten weg!« Ich drehe mich zurück zu Jana. » Ganz ehrlich: Als Mann machste schon mal Abstriche in der B-Note. Also beim Aussehen, Alter und so, um …«
» … schlechten Sex zu haben?« Jana wird ja richtig bissig.
» Na, besser schlechten als gar keinen«, brabbelt Harald vor sich hin.
» Das weiß man doch vorher nicht!« Um abzulenken, fotografiere ich durchs Fenster.
Jana verzieht das Gesicht. Falsches Thema. Fettnäpfchen-Thema. Anstrengen, Andi.
» Das ist ja wie mit der ewigen Liebe bei den Anglerfischen«, setze ich an.
» Ach, kommt jetzt wieder so eine Tralala-Tiergeschichte?« Jana ist erstaunlich trotzig, wenn man bedenkt, dass ich ihr gar nichts getan habe. Dennoch scheint sie interessiert.
» Ah, die Anglerfische.« Harald auch.
» Nun, die Liebe zwischen ihnen ist so innig, dass sie gerne auf mögliche andere Partner verzichten. Das macht ihnen überhaupt nichts aus.«
» Ja, Moment«, mischt sich Harald ein, » die Anglerfische bewohnen die Tiefsee. Da unten ist es zappenduster und wenig los. Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit, überhaupt auf einen Partner zu stoßen? Ich meine, die haben ja gar keine Wahl.«
Schnauze, Harald.
» Das ist wirklich ’ne ganz tolle Geschichte.« Jana verschränkt die Arme.
» Seid ihr denn so schwer von Begriff?« Ich werde lauter. » Hier geht es doch um die höhere Bedeutung: E-wi-ge Lie-be!«
» Biologisch betrachtet kann man ihre beständige Bindung wörtlich nehmen«, sagt Harald.
Kerl, das ist meine Fabel!
» Denn das Männchen, das wesentlich winziger ist, beißt sich kurzerhand im dickwanstigen und labberigen Körper des Weibchens fest.«
» Das wird ja immer besser.« Jana klingt fast höhnisch. » Die Frauen haben eh schon Gewichtsprobleme und müssen dann auch noch die Männer mit sich rumschleppen.«
» Ganz genau«, freut sich Harald, » und weil das Männchen nicht mehr loslässt, beginnen sie zu verschmelzen. Das Weibchen ernährt ihn also regelrecht mit.«
» Großartige Geschichte, wirklich ganz großartig«, redet sich Jana weiter in Rage, » das Männchen ist ’ne Zecke, und das Weibchen hat den ganzen Stress. Ein Traum, ne?«
» Naja, irgendwie schon«, sagt Harald zögerlich.
» Hey, mir ging es eigentlich darum …« Ich muss mich doch nicht rechtfertigen! » Ach, ihr versteht halt nix vom Meeresleben.«
Jana bleibt sarkastisch. » Und schalten Sie auch in der nächsten Folge wieder ein, wenn es um die Clownfische geht! Die sind so lustig, dass sie den ganzen Tag lachen. Nur einige der Männchen sind so blöd, dass sie sich dabei verschlucken und ertrinken. Das nennt man dann: sich totlachen.«
» Der war gut!« Harald lacht laut. Über mich? Was der sich erlaubt!
» Ich glaub, ich hab genug … Fotos.« Ich gehe nach hinten durch und lasse mich auf meinen Platz fallen.
» Na, gutes Wetter da vorne?« Sven hat unser Gespräch wohl mitbekommen, aber er weiß offenbar nicht, dass Ironie nur Gewinnern zusteht. Hm, ich halte auch lieber mal die Klappe.
Jana scheint irgendwie verletzt, aber muss sie deswegen so verletzend sein? Ich kriege Gänsehaut auf meinem Sonnenbrand.
Antje nimmt ihre Kamera wieder entgegen und checkt direkt meine Aufnahmen.
» Nur die Straße und Haralds Knie? Wolltest du nicht Bilder von der Landschaft machen?«
» Da war keine.«
Die Straße rollt als schmaler Teerteppich durch kleinere Berge und fällt am Nachmittag zum Ozean hinab. Das grüne Dickicht ringsum treibt nun tropischere Blüten. Die pralle Sonne schimmert bereits orange durch die Scheiben, als uns Toni am Mikrofon mit einem Sprachkursus unterhält.
So gut wir können, dehnen und klicken wir ihm die einheimischen Laute nach.
» Das ist teuer«, den Satz übersetzt Toni ins Vietnamesische.
» Das ist teuer? Na, das brauche ich mir hier nicht zu merken.« Kristin lässt ihren Vokabelzettel sinken.
» Du hast wohl zu viel Geld?« Muttis Frage klingt wie eine Rüge.
» Jedenfalls will ich es ausgeben. Heute Abend bestelle ich mir den teuersten Cocktail.«
» Das ziehe ich dir vom Taschengeld ab!«
Ich horche auf. » Echt, du kriegst noch welches?« Kristin und Mutti sehen sich an und fangen an zu lachen. » Ey, ich werd mich ja wohl noch informieren dürfen.«
Endlich, als die Sonne sich bereits ins Wasserbett legt, fahren wir in Quy Nhon ein, das mit 300 000 Einwohnern eine richtige Stadt ist. Trotz ihrer Größe erscheint sie unauffällig, wirkt eher auf schlichte Weise
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