Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
Wasserflaschen aus dem Regal nehme, steht Mutti minutenlang schockstarr im Laden, bis sie wieder Worte findet. » Ich wusste gar nicht, dass das in Österreich erlaubt ist!« Homosexualität, da ist Mutti nicht so im Thema. » Und der ist doch auch schon über die 60 drüber. Das muss doch irgendwann aufhören!«
» Mutti, das ist doch keine Frage von Nationalität oder Alter.« Als Kölner kennt man sich da sowieso aus.
Während wir unsere Räder zum Hotel schieben, rückt Mutti ihr Kopftuch zurecht, so als sortiere sie ihre Gedanken. Dann hat sie eine Auslegung, die sie versöhnlich meint.
» Junge, in den Bergen kann die Erziehung eben manchmal ungewöhnlich verlaufen.«
Freitag, 6. Februar
GÄNSEHAUT AUF MEINEM SONNENBRAND C
Warum hat Antje einfach so behauptet, ich sei ein Hallodri? Als wenn ich meine Semmel ständig aus der Tüte lassen und spazieren führen würde! Wenn das die Unterstützung ist, die sie mir bereits zu Hause angekündigt hat, na dann gute Nacht. Nee, eben nicht. Ich bin wach und liege stocksteif auf dem Rücken. Nein, ich bin kein Frauenheld, und das weiß Antje auch.
Irgendwo schlägt eine Uhr drei Mal. Wie oft habe ich mich im Ausmaß meiner erotischen Wirkung verschätzt! Wie oft habe ich mir bei ihr sogar Tipps geholt, wenn es mal wieder nicht lief! Die Klimaanlage surrt leise vor sich hin. Daran muss mich Antje echt nicht erinnern! So kann ich nicht einschlafen, ich starre ins Dunkel. Die Uhr schlägt vier Mal. Wie heftige Stöße an der Tür des Unheils.
Alle anderen scheinen guter Dinge zu sein, als wir am Morgen unser Gepäck vors Hotel stellen. Toni hat Geburtstag, und eine neue Etappe steht an.
» Trinkst du heute kein Bier?«, fragt Walter, weil ich sieben Literflaschen Wasser in den Bus packe.
Bevor wir einsteigen, singen wir Toni ein Ständchen. Hätten wir jetzt eine Torte, aus der ein Girl nackt in seine Arme springt, wäre er bestimmt begeistert. Just beim » Happy Birthday« fährt ein Trauerzug vor dem Hotel vorbei. Ein Zufall, der mir passend buddhistisch erscheint: von wegen Geben und Nehmen und so.
Die Fahrerei geht mir langsam auf die Nerven, dieses stundenlange Sitzen im Bus kann ziemlich anstrengend sein. Gedöst habe ich schon, auch viele Seiten meines Krimis habe ich gelesen. Und nun? Fotografieren, das kann ich doch auch. Ich leihe mir Antjes Kamera, das große Vorderfenster scheint mir besonders geeignet, um hindurchzuknipsen. Meine Schritte muss ich ausbalancieren, als ich durch den schwankenden Bus nach vorne laufe.
Der Platz neben Harald ist noch frei. In jeder Kurve tänzelt sein Strohhut in der Gepäckablage, scheint fast hinunterzukippen, fängt sich dann wieder und wippt erneut abwärts. Ich setze mich und betrachte die Nationalstraße 1 durch die Frontscheibe. Schräg links von mir sitzt Jana, die durch ihre Sonnenbrille aus dem Fenster schaut.
» Wahnsinn, die Mittellinie ist bei den Vietnamesen echt nur ein vager Anhaltspunkt. Die dient ja eher als dritte Fahrspur«, sage ich.
» Stimmt, die überholen sehr offensiv.« Harald deutet aus dem Fenster. » Heftig: Schon wieder wird ein Moped auf den Randstreifen abgedrängt. Und da, das Moped hupt die Radfahrer Richtung Graben. Das kann auf Dauer nicht funktionieren, die Unfallzahlen hier sind die zweithöchsten der Welt.«
Ja, Harald. Jetzt bitte keinen wissenschaftlichen Exkurs.
Ich mache ein Foto. » Unfälle, tja. Wundert mich nicht, hier lenkt ja mancher Buspilot so lebhaft, als wären alle anderen Geisterfahrer!«
» So wie du bei den Frauen?« Jana klingt sauer.
» Ich, was?«
» Heute im Angebot: Laugenstangen …«, betont sie ironisch.
Schon wieder dieses Bäckereigefasel. Blöde Brötchenboutiquen.
» Die Antje …«, setze ich an.
» Jetzt gib bloß nicht deiner Schwester die Schuld!« Wem sonst?!
» Welche Schuld, und was willst du überhaupt? Meine Güte, als ich länger Single war, früher, da hatte ich … Bekanntschaften.«
» Ja, wie das eben so ist.« Danke, Harald, ich komme schon klar.
» Es geht dich eigentlich nichts an, aber eine Aufzählung lohnt nicht.«
» Echt nicht?« Harald!
» Viele waren’s nicht. Blindes Huhn, Korn, so.«
» Jaja, sicher. Und den Frauen hast du direkt gesagt, dass sie nur eine Affäre für dich sind?«, erkundigt sich Jana aufmerksam bis bohrend. Ach ja, ihre schlechten Erfahrungen mit Urlaubsflirts, wovon sie mir auf dem Balkon in Hanoi erzählt hat.
» Ich bin kein Hallodri. Aber ein Mann, das natürlich schon.«
Harald packt
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