Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
Frühstück biste zurück«, kichert Walter.
Sven erhebt sich, leicht schaukelnd muss er sich auf dem Tisch abstützen.
» Isch mein’s ernst. Die Frau hat mich … so was von feddisch gemacht. Soo bin isch noch nie, bin isch noch nie enttäuscht worden. Isch werd Diakon! Halleluja!«
Hörbare Stille. Die Stimmung hält inne.
Nicht, weil der Moment peinlich wäre, sondern aus Respekt vor seiner Situation. Endlich ist klar, warum er die ganze Zeit so zurückhaltend und in sich gekehrt war! Wie in einem Flashback erscheint es mir schlagartig vor Augen, Bild für Bild: seine Bemerkungen über Frauen, seine Besichtigungen der Kirchen, seine Kommentare zum Thema Religion.
Kein Wunder, Diakon will er werden!
Den Frauen unserer Gruppe merkt man an, dass sie seinen Charme und seine tiefblauen Augen nicht in der Enthaltsamkeit sehen. Mutti bricht das Schweigen.
» Mir würde Sven als Familienvater besser gefallen.«
» Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss«, zu Svens Gunsten zitiere ich die Westernhelden John Wayne und Gary Cooper. Okay, Al Bundy hat das auch gesagt, aber der hat ja wirklich eine schlimme Alte.
Jetzt erst realisiere ich es: Er flüchtet vor den Frauen ins Zölibat? Das ist feige!
Sicherlich, meine Exfreundin hat mich auch echt ernüchtert. Die Enttäuschung, die zu Svens drastischer Konsequenz führt, muss schon sehr desillusionierend gewesen sein. Freiwillig so ganz ohne Frauen? Ich weiß nicht, wie soll das gehen? In meiner Zeit als Messdiener hatte ich auch nichts mit Mädchen. Das lag allerdings nicht an der Kirche, sondern an meiner festen Zahnspange und – zugegeben – meinem uncoolen Gesamtauftritt.
» ’sch geh schlaafen. Naacht! Boing.« Sven wirkt geradezu vergnügt, als er gegen die unterste Holzstufe stolpert, um zu seinem Zimmer hochzuschwanken. » Hoppala … Friede, Freude, Eierkuchen – sei mit eusch!«
» Augenblick, Sven.« Ich muss es einfach wissen. » Dann … dann bist du gar kein Surfer?«
Er glotzt mich an, als wäre ich der Betrunkene.
» Surfer, isch? Hahaha! Hörma, isch predige Wein statt Wasser!«
Samstag, 14. Februar
VALENTINSTAG MIT ROSA KLOPAPIER C
Das Zimmer für sechs Dollar ist nicht nur sehr einfach, es ist zudem so klein wie eine Telefonzelle. Allerdings fehlt das Telefon, weshalb auch der Weckruf der Rezeption entfällt. Zum Glück hat sich Vera in der Nacht noch angeboten, rechtzeitig den Hahn zu machen.
Um 6 Uhr hämmert es rustikal an der Tür. Das soll Vera gewesen sein? Ich verneine es innerlich und drehe mich noch mal um. Dreißig Minuten später klopft es erneut, allerdings ungleich sanfter. Als ich schlaftrunken öffne, grüßt Vera zaghaft.
» Guten Morgen. Das erste Poltern war ich nicht.«
Hätte ich von ihr auch nicht gedacht, eine Blockflöte ist nun mal kein Rock ’n’ Roll-Instrument. Vorher, das war also der Wake-up-Call des Hotels: Klopfzeichen! Zu früh und verdammt laut, dafür herrlich ursprünglich.
Sven hat am Frühstückstisch kleine Augen, sonst sitzt er ganz entspannt über seinen Spiegeleiern. Ihn hätte ich also im Kampf um Jana aus dem Weg geräumt. Er hätte ja nicht gleich die Finger von allen Frauen lassen müssen, aber so geht’s natürlich auch.
Jetzt muss ich mich nur noch selbst als würdiger Sieger erweisen. Triumphzug, ich komme.
Svens nächtliche Ansprache ist immer noch Gesprächsstoff. Und Zündstoff.
» Wir Frauen sind manchmal schon ein bisschen kompliziert«, befindet Mechthild, als Kurt gerade ihr Gepäck holt, » das wissen wir ja selber.«
Vera nickt und reibt bedächtig die Kaffeetasse in ihren Händen.
» Schon, ja, aber wir treiben doch keinen Mann in den Wahnsinn.«
» Oder ins Zölibat«, ergänzt Mutti.
» Ist doch dasselbe«, grient Kristin.
» Kristin, bitte!« Mutti ist und bleibt eine Pfarrei-Praline und bei diesem Thema resolut.
Harald räuspert sich. » Das Sexverbot für katholische Priester wurde schon im 4. Jahrhundert beschlossen, aber anfangs kaum beachtet. So richtig durchgesetzt hat sich der Zölibat erst im Mittelalter. Allerdings gab es viel später, im 16. Jahrhundert, immer noch Päpste, die ihre Kinder und Enkel zu Kardinälen beriefen.«
» Aber dafür kann der liebe Gott doch nichts!«, sagt Mutti laut und erschrocken.
Kristin stupst Harald an. » Übrigens, kleine Korrektur, heißt es nicht: das Zölibat?«
» Nein, definitiv der Zölibat.« Sven grinst von seinem Tisch herüber. » Es ist ja männlich …«
» Immerhin haben wir jetzt einen Geistlichen
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