Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
walking on the grass.
Aha, dann sind hier also auch schon deutsche Entwicklungshelfer gewesen.
23 Dollar hat jeder von uns bezahlt, zwei mehr als offiziell für den Grenzübertritt vorgesehen.
» So geht’s schneller, und unser Gepäck wird nicht durchsucht. Ist hier eben als ›Abwicklungsgebühr‹ erforderlich«, erläutert uns Jana vor den Beamten.
» Du meinst: Schmiergeld?«, fragt Mutti. » Uiuiui!«
Sobald sie die Willkommens-Visa in unsere Reisepässe eingeklebt haben, winken uns die Zöllner einzeln durch die Gesichtskontrolle. Ich finde, die mustern uns eingehender, als es die Türsteher einer Discothek tun. Wer mit seinem Pass zurückkommt, wirkt eigentümlich erleichtert. Walter wiegt das Dokument wertvoll in seinen Händen. Wie eine Urkunde nach der Siegerehrung.
» Knapp, gaanz knapp, es ging um Zehntelsekunden. Mit 5:4 Stimmen ist meine Einreise … genehmigt worden!« Er reißt die Arme in die Luft.
» Und, saß Dieter Bohlen mit in der Jury?«
Walter jagt mich in seinen Sportschuhen, Größe 46, zum Schnellboot. Doch bevor er mit seinen Latschen meinen Hintern erreichen kann, sitze ich schon wieder. Es sind noch drei Stunden den Mekong hoch – nach Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas.
Von der Luftfeuchtigkeit durchnässt, schnalzen unsere Schuhe und hinterlassen feuchte Abdrücke auf dem grauen Stein des Hafenbodens. Wir betreten das Nachbarland, ohne uns die Schuhe abgeputzt zu haben. Was jedoch nicht weiter auffällt, auf den ersten Eindruck wirkt alles schmutziger und ärmlicher als in Vietnam. Schweiß rinnt mir in Tropfen von der Stirn und ploppt zu Boden, wo er augenblicklich verdunstet.
Beim Einchecken ins klimatisierte Hotelzimmer meldet sich Kristin für weitere Aktivitäten ab.
» Ich bin raus. Dusche und Bett wollen ja auch von meiner Anwesenheit beglückt werden.«
Antje ist ebenfalls durchgeschwitzt und sieht das als Zeichen, direkt ihre Sportschuhe anzuziehen. » Wenn ich laufe, sehe ich viel mehr von der Stadt.«
Auch Mutti hat den Nachmittag bereits verplant.
» Ich habe Ü60-Stammtisch mit den anderen.«
» Stammtisch«, hinterfrage ich den Begriff, » nennt man den schon beim ersten Treffen so?«
» Ach Andi, nun hör doch auf mit solchen Spitzfindigkeiten! Ich könnte uns auch ›Die senilen Fünf‹ nennen. Oder ›Veras Verein‹, weil sie die Idee hatte. Aber dann beschwerst du dich nur wieder, weil es dir ›zu deutsch‹ ist, dass wir im Ausland einen Verein gründen. Wir sind nun mal Deutsche, also heißt unser Kaffeeklatsch ganz einfach ›Stammtisch‹. Und sollten die auch hier draußen nur Kännchen servieren, was ich nicht glaube, aber wer weiß, dann sind wir alt genug, um die auch bestellen zu dürfen. Fertig, aus, Affenhaus.«
» Macht ihr mal.« Ich lache zustimmend und schlüpfe in ein frisches T-Shirt.
Ehrlich gesagt kommt es mir ganz gelegen, dass meine Leute schon etwas vorhaben. Ja, besser könnte es gar nicht laufen, so muss ich wenigstens keine Ausrede erfinden. Rasch erkundige ich mich an der Rezeption, welches Zimmer Jana hat, erklimme fix die Treppe und klopfe an der Tür mit der Nummer »200«. Wie gut, dass die »2« für die Etage davorsteht. Jana öffnet, sie trägt keine Hose, sondern ein langes Shirt, das bis zu den Oberschenkeln reicht. Sexy, sehr sexy.
» Andi. Alles okay mit euren Zimmern?«
» Bestimmt. Aber deswegen bin ich nicht hier.«
Ich gehe in die Knie, bilde mit meinen Händen einen Trichter um den Mund und versuche mich in asiatischer Sprachmelodie. » Willkommen. Ich bin ihr einheimischer Fremdenführer und besuche gleich mit ihnen ›Chatomuk Mongkul‹!«
» Oh … du meinst den Königspalast.«
Mit größtmöglicher Geste nehme ich meine Hände in Gebetshaltung und verneige mich leicht in ihr Zimmer.
» Deswegen brauchst du doch nicht auf die Knie zu gehen«, lächelt Jana kokett.
» Doch, die Asiaten sind doch kleiner als ich.«
» Witzbold. Komm rein, setz dich. Ich muss noch eben duschen.« Sie zupft an ihrem Shirt. » Aber diesmal ohne vorher ungewollt baden zu gehen!«
Die Menschen auf der Straße sind dunkelhäutiger und hübscher als in Vietnam, wirken allerdings irgendwie angestrengter. Häuser im Art-Déco-Stil reihen sich aneinander, die Palastmauer der königlichen Familie schließt sich daran an. Wir laufen an mindestens zweihundert Meter Steinfassade vorbei, ehe der kleine Touristen-Eingang erreicht ist. An der Kasse sehen wir an den Öffnungszeiten, dass die Anlage in einer Stunde
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