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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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Konstellationen, in denen ein halbes Dutzend Sonnen einander den Brennstoff streitig machten und wo Plasmastränge gierig von einem Stern zum anderen gespannt waren, während embryonale Welten das Labyrinth aus Schwerkraft und Gravitationsverwerfungen auf instabilen Zufallsbahnen durchkurvten. Wir nahmen Einblick in das Chaos und seine tödlichen Energien, aus dem die Welt nicht nur hervorgegangen war, sondern das sie noch immer anfüllte. Wir weideten uns an Schauspielen, die nicht für sterbliche Augen bestimmt waren, und wurden Zeugen von Vorgängen, die keinen Schöpfer, keine Protagonisten und kein Publikum haben sollten. Wir stießen in Räume vor, auf denen noch niemals eine menschliche Netzhaut gelegen hatte, und sei es mit den stärksten denkbaren Teleskopen bewehrt, und wir durchstreiften Zonen, deren Licht sich erst in Millionen Jahren den irdischen Regionen mitteilen würde.
    »Mein Gott«, entfuhr es mir irgendwann. »Dafür lohnt es sich zu sterben.«
    »Das würde dir so passen«, entgegnete Jennifer, ohne den Blick von dem mächtigen hellen Band zu nehmen.
    Dieser Flug überstieg alles, was Menschen jemals unternommen hatten. Wir waren in einer Entfernung von allem Vorhandenen gelandet, die sich den Ambitionen und Träumen sämtlicher Abenteurer entzogen hatte. Und doch hatte ich das Gefühl, dass wir erst im Begriff standen, ganz neue Pforten aufzustoßen. Wir näherten uns erst noch dem Gebiet, an dem wir zum Grundsätzlichen durchbrechen würden. Noch immer sahen wir den Raum zu homogen, zu alltäglich in seinen drei rechtwinkligen Dimensionen. Das unbewehrte Auge vermochte hier nichts wahrzunehmen, was dagegen gesprochen hätte, aber das lag einzig daran, dass es hier nichts mehr gab, an was es sich hätte halten können. Die harmlosesten und gewöhnlichsten dieser Phänomene überstiegen menschliches Begreifen um solche Höhen, dass es die Orientierung und die Besinnung verlor. Von allen Seiten brandeten Bilder auf uns ein. Wir schauten die Lebenszyklen von ungezählten Welten, und doch wussten wir nicht, wie diese Räume organisiert waren. Wie mochten sie gestaucht, gekrümmt, zerdehnt sein? In welche höheren und aberhöheren Dimensionen mochten unsere drei albernen Raumrichtungen eingefaltet sein? Wie wurde das Licht zerknickt, das diese Weiten in gelinder Hast durcheilte? Wie wurde die Zeit hier draußen zerbeult? Wir erlebten es selbst, wie Dauern, die die Geduld des weisesten Chronisten überfordert hätten, in Augenblicken wie am Faden abschnurrten, angeregt von der übernatürlichen Weise unseres Fluges. Aber was war Natur, hier draußen? Sie war weder lieblich, noch titanisch. Ein Ozean wog weniger als ein Tropfen, ein Himalaya war ein unsichtbarer Krümel. Und wer wusste, wie viel Höhergestaltiges noch in den Falten der zerknautschten Raumzeit eingewoben sein mochte, deren buntes Tuch von den Urkräften der Gravitation geknüllt, zerrissen und gebläht wurde?
    »Such dir lieber einen Platz aus«, sagte Jennifer. »Wie hättest du’s denn gerne?«
    Wir waren in eine milchstraßenähnliche Galaxie eingeflogen. Die Instrumente des Shuttles trillerten und tirilierten, als sie begannen, die Umgebung abzutasten. Eintausend Milliarden Welten standen zu unserer Verfügung. Sie hatten keine Namen, keine Identität, nicht einmal eine Kennung in den Karten der Union. In den Speichern der MARQUIS DE LAPLACE würde man sie vergeblich suchen, und doch existierten sie und drehten sich im Raum. Beschienen einander mit weißem oder rotem Licht, zerstörten einander, verschmolzen miteinander, kreisten umeinander, beregneten einander mit Kometenschweifen oder harter Strahlung.
    »Wenn ich es mir aussuchen kann«, überlegte ich und spähte hinaus, als könne ich mit bloßen Augen eine geeignete Landestelle ausmachen. »Schwere und Luftdruck etwas unter Erdwert, von wegen der Gelenke, und es atmet sich dann besser. Hoher Sauerstoffanteil, mittlere Feuchte. 28 Grad im Schatten, und natürlich muss es Schatten geben. Exotische und unaufdringliche Flora, schmackhafte und ungiftige Fauna.«
    War das Caesarenwahnsinn? Die Vermessenheit desjenigen, der keine Grenzen kannte, weil es so etwas wie Grenzen für ihn nicht mehr gab? Oder war es nicht das ganz gewöhnliche Verhalten eines Reisenden, der sich nach einem Nachtquartier umschaut und einen Katalog von Annehmlichkeiten im Kopf hat, auf die er nur ungern zu verzichten bereit ist?
    Jennifer nahm die Augen nicht von ihrer Konsole. Sie gab Daten und Vektoren

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