Muss ich denn schon wieder verreisen?
es genauso gemütlich wie im Aufenthaltsraum, nur wesentlich kleiner und durch einen schwarzen Tresen mit viel Chrom drumherum als Bar erkennbar. Im übrigen war sie leer. In der Ecke stand ein Fernsehapparat, auf dessen Bildschirm eine wilde Schießerei im Gange war – Cowboys mit schwarzen Hüten gegen welche mit weißen. Die weißen blieben Sieger, und dann war der Film auch schon zu Ende.
»Vielleicht kriegen wir mal ein bißchen was von den Nachrichten mit«, sagte Irene, als das Programm wechselte und die Kamera Bilder aus der Knesset zeigte, wo sich wild gestikulierende Politiker beinahe an die Gurgel gingen. Weshalb sie das taten, blieb uns verborgen, sie beschimpften sich auf hebräisch. Der Barkeeper, offenbar froh, endlich Gäste zu haben, servierte uns zusammen mit den Getränken seine Meinung zu dem politischen Geschehen. Danach waren die Araber friedliche Menschen und die Israelis kriegslüsterne Eroberer. Das Gegenteil hatten wir schon von Menachem gehört.
Herrn Kohl kriegten wir auch noch zu Gesicht. Er saß freundlich grinsend neben Präsident Bush und ließ sich die Hände schütteln. Vielleicht hatte er wieder einen hübschen kleinen Scheck mitgebracht; auch die Amerikaner sind für gelegentliche Zuwendungen dankbar.
Dann folgte der Wetterbericht mit bunten Bildchen, und mit denen konnten wir endlich etwas anfangen. Als vorübergehender Analphabet ist man ja auf visuelle Unterstützung angewiesen. Morgen würde die Sonne scheinen mit Temperaturen um fünfundzwanzig Grad. Sehr erfreulich.
Der Barmensch erkundigte sich höflich, ob er auf einen anderen Kanal umschalten dürfe. Aber bitte sehr, uns war jeder recht, wir verstanden sowieso nichts. Doch was dann kam, war wirklich zuviel des Guten. Erst ertönte eine sattsam bekannte Melodie, und dann krächzte J. R. Ewing guttural in ein schnurloses Telefon. Dallas auf arabisch!!!
»Aus dem Fernsehprogramm kann man eine Menge lernen«, sagte Irene, während sie die Rechnung abzeichnete, »vor allem, daß man früher hätte schlafen gehen sollen.«
Die Gruppe im Aufenthaltsraum hatte sich verringert, die leeren Bierflaschen hatten zugenommen. Die meisten standen vor Heinis Platz, denn Ännchen war auch schon verschwunden. Jetzt durfte er mal! Nun ja, manchmal wird Alkohol von einer Flasche in die andere gegossen.
»Weißt du eigentlich, was morgen alles auf dem Programm steht? Müssen wir viel laufen?« Ich kramte meine alten Treter aus dem Koffer und überlegte im stillen, ob sie vor Frau Terjungs Augen Gnade finden würden. Wahrscheinlich nicht, denn sie trug immer halbhoch und ist damit sogar durch die Wüste gelaufen. Mit Pausen, wenn sie den Sand auskippen mußte.
»Soweit ich mich erinnere, werden wir morgen die Errungenschaften des modernen Israel bewundern, also den üblichen Rundgang machen, der auch bedeutenderen Besuchern, als wir es sind, nicht erspart bleibt. Ein bißchen Politik, ein bißchen Kunst, ein bißchen Architektur – na, eben alles das, worauf die Israelis stolz sind. Ich habe mich vorhin richtig über die gräßlichen Hochhäuser geärgert. Diese Spargel verhunzen das ganze Stadtbild. Hast du eine Nagelfeile dabei? Ich habe mir an dem ollen Prunus dulcis den Fingernagel eingerissen.«
Weder wußte ich, was ein Prunus dulcis ist, noch hatte ich eine Ahnung, wo sie mit ihm in Berührung gekommen war. Die Nagelfeile lag jedenfalls im Bad, doch als ich die Tür öffnete und das Licht anknipste, starrte ich genau auf etwas großes Braunes, das sofort unter der Badewanne verschwand. »Irene, hier sitzt ein riesiger Käfer!«
»Hau mit dem Latschen drauf!«
»Geht nicht, er ist unter die Wanne getürmt.«
»Dann laß ihn doch sitzen!«
»Aber wenn er wieder rauskommt?«
»Meine Güte, stell dich nicht so an!«
Leichter gesagt als getan. Vor allem, was kriecht und krabbelt, habe ich einen Horror, und meine Entsetzensschreie beim Anblick irgendwelchen Getiers, das größer ist als eine Ameise, sind familienbekannt. Im Gegensatz zu Sven, der selbst dicke schwarze Spinnen in die Hand nimmt, um sie mit tröstenden Worten in den Garten zu setzen, stellen sich bei mir die Haare auf, und bei dem Gedanken, so ein Vieh zu zertreten, kriege ich Gänsehaut. Es ist sogar schon vorgekommen, daß ich ein menschliches Bedürfnis so lange unterdrückt habe, bis das erste Familienmitglied nach Hause kam und der Spinne im Bad zu Leibe gerückt ist. Und jetzt sollte ich diesen Käfer…? Nie!!!
Schnell griff ich nach der Nagelfeile und
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