Mustererkennung
sind. Das einzige, was ihr am großen Hummer gefallen hat, war der pferderückenbreite Kardantunnel zwischen Fahrer und Beifahrer, aber natürlich hat sich der Reiz des Besonderen sowieso verloren, seit das Original-Humvee eine feste Größe im New Yorker Straßenverkehr ist.
Nicht gerade das perfekte Date-Vehikel, der gute alte Hummer, und in dieser kleineren Ausgabe sitzt sie näher bei Bigend, der seinen schokoladenbraunen Stetson auf den geschrumpften Tunnel gelegt hat. Der Spiegelweltverkehr läßt sie dauernd eine Phantombremse treten, als ob sie, da sie hierzulande auf der Fahrerseite sitzt, auch fahren müßte. Sie umklammert die DDR-Mappe auf ihrem Schoß und versucht, es nicht zu tun.
Bigend hat erklärt, er denke nicht daran zuzulassen, daß sie sich ein Taxi nimmt (wobei er aber offensichtlich genausowenig daran dachte, ihr wieder den Blue-Ant-Wagen mit dem adret-ten Fahrer zu rufen). Und mit ihrem Vorschlag, er könne sie ja an der U-Bahn Bow Street absetzen, kommt sie auch nicht durch. Samstags um diese Zeit führen keine Bahnen mehr nach Camden Town, erklärt er; sie verkehrten nur noch in der Ge—genrichtung, um den Kinderkreuzzug zu lichten. Irgendwo im
Hinterkopf hat sie das auch gewußt, fällt ihr jetzt wieder ein, aber um sich die Logistik des Ganzen zu vergegenwärtigen, hat sie ein, zwei Gläser von Stonestreets Wein zuviel getrunken.
Wie können Züge dort abfahren, ohne vorher hingefahren zu
sein?
Der Regen hat aufgehört, die Luft ist glasklar.
Als sie um einen Kreisverkehr preschen, sieht sie eine Ansammlung von Schildern, auf denen irgendwas mit Smithfield steht, woraus sie schließt, daß sie in der Nähe des Markts sind.
»Wir gehen noch was trinken«, sagt Hubertus Bigend, »in
Clerkenwell.«
7 DAS
ANGEBOT
Er parkt den Hummer an einer großen, gut beleuchteten Straße; sie sind jetzt offenbar in Clerkenwell, das in Cayces Augen kein spezielles Flair besitzt. Im Erdgeschoß die üblichen Londoner Läden und Dienstleister, aber darüber sehen die Häuser nach neu ausgebauten Wohnetagen aus – wahrscheinlich Tribeca—artiger als Stonestreets Ex-Zündholzfabrik.
Er öffnet das Handschuhfach und entnimmt ihm ein glänzendes Plastikrechteck, das sich etwa auf die Größe eines Spiegelwelt-Nummernschilds aufklappen läßt. Als er es mit der Schriftseite nach oben aufs Armaturenbrett legt, erkennt sie »EU«, einen britischen Löwen und ein Fahrzeugkennzeichen.
»Sonderparkerlaubnis«, erklärt er, und im Aussteigen sieht sie, daß sie mitten im Parkverbot stehen. Bigend muß ziemlich gute Beziehungen haben, denkt sie.
Er setzt den dunkelbraunen Stetson auf und drückt auf den Autoschlüssel. Die Lichter des Hummer leuchten auf, erlö-
schen, leuchten wieder auf, und dann ertönt ein abgewürgtes Muhen, mit dem sich die Alarmanlage aktiviert. Sie fragt sich, ob der Hummer wohl oft angefaßt wird, weil er ja wie ein Riesen-Matchbox-Auto aussieht. Ob er sich das gefallen läßt.
Ihr Ziel ist offenbar ein Bar-Restaurant, das alles dafür getan hat, möglichst wenig nach Pub auszusehen. Als sie sich den Fenstern und den wummernden Bässen nähern, erinnert sie die Beleuchtung drinnen an durchgebrannte Glühbirnen, brutzeln—de Stahlspiralen hinter Rauchglas.
»Schuhe«, sagt er dezidiert. »Was kommt da?«
»So was Ähnliches wie der Converse All-Star.«
»Können Sie das etwas genauer sagen?«
»Dünnes Segeltuch, enge Paßform, aber die ideale Sohle wäre transparent. So was wie die Doc-Martens-Sohle, aber aus Klarplastik; mit durchsichtigen Luftkammern. Zuerst ging es in Richtung Trauma-Pad-Look, aber dann kam der Schuh—Bomber.«
»Trauma-Pad?«
»Schockabsorber. Einlagen für kugelsichere Westen. Auch wenn die Kugel nicht durchgeht, trifft sie einen doch wie ein Vorschlaghammer. Ein Trauma-Pad verteilt die Energie, dämpft die Wucht des Geschosses. Aber jetzt würde das nur wie ein potentielles Sprengstoffversteck aussehen.«
»Und das Klarplastik, was sagt das aus?«
»Ich komme ins Flugzeug. Ich bin harmlos. Ich habe den
Humor nicht verloren.«
»Bernard hat immer schon gesagt, Sie sind sehr gut.« Seine Stimme erinnert sie an eine Museumsführung über Kopfhörer.
Seltsam hypnotisch.
»Danke.« Als sie das Lokal betreten, wirft sie einen Blick auf die Klientel und assoziiert sofort weißes Pulver der altmodischen Art.
Ja, sie erinnert sich: dieses allzu strahlende Lächeln, das ober-flächliche Blitzen der Augen, wie Glas.
Bigend bekommt prompt einen
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