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Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Titel: Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Malchow
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schön mutig, was Sie da vorhaben!« mit auf den Weg gab. Reiseapotheke, Trockenshampoo, Notfallnahrung in Form von Müsliriegeln für mich, neue Karte für das Satellitentelefon, Chips für meine Kamera, Batterien für Kamera und Satellitentelefon, was noch?
    Außerdem hatte ich recht diffuse Vorstellungen von der vor uns liegenden Reise: Waren die Züge wirklich so einfach, schmutzig und aufgrund dem Wodka zugetaner Mitreisender laut und gefährlich? Das Essen schlecht und Toiletten und Duschen nicht benutzbar? Innerlich verglich ich die Zugetappen mit Aufenthalten in dubiosen Western Saloons des 19. Jahrhunderts, in denen man schnell mal in tödlich endende Verwicklungen verstrickt werden konnte. War der Baikalsee wirklich ein so raues Pflaster – klimatisch und sozial –, wie die Reiseführer, die deutschen Transsibreiseveranstalter und der wackere Klaus Bednarz mich glauben machten? Dachte ich an den Baikalsee, so sah ich Männer mit wettergegerbter Haut, Zahnlücken und einer Statur, als hätten sie gerade mit einem Rudel Bären gerungen, Frauen mit Kopftüchern und Blümchenschürzenkleidern, schiefe Holzhäuser, durch die der eisige Wind pfiff, sowie Tante-Emma-Läden, die entweder leer gekauft waren oder ungenießbare russische Kopien von Coca-Cola, Heineken und Milka-Schokolade zu horrenden Preisen anboten. Wenn ich mich dabei erwischte, auf ein kleines bisschen Seeromantik mit Fisch und Weißwein am Baikalufer zu hoffen, rief ich mich selbst zur Räson: Baikal ist nun wirklich nicht das kinderfreundliche rau-liebevolle Sylt.
    Und neben der unendlichen Weite der Steppe – was erwartete uns eigentlich in der Mongolei? Klimatisch war alles möglich um diese Zeit, von plus 20 bis minus 40 Grad, von milden Spätsommertagen bis hin zu wüsten Schneestürmen. Ernährten die Mongolen sich tatsächlich ausschließlich von fettem Fleisch und gegorenem Milchtee, vor dem ich schon in Tibet beim bloßen Geruch kapituliert hatte? Und ich probiere wirklich fast alles. Und wie wird Levi sich verhalten? Auf seiner ersten Abenteuerreise. Werde ich die Landschaft mit ihm genießen können? Und er? Wie werden die Menschen auf uns reagieren? Werden wir einsam sein? Oder umringt von uns bestaunenden Augen aus aller Welt?
    Einen Tag vor unserer Abreise saß ich zu Hause an der Küchenbar und kam das erste Mal seit zweieinhalb Wochen zum Durchschnaufen. Seit meinem spontanen Entschluss zum Aufbruch hatte sich eine Lawine von Organisationsnotwendigkeiten in Gang gesetzt, die mir ein Nachdenken und Hinterfragen des zu planenden Vorhabens unmöglich gemacht hatte. Bis jetzt. Warum genau mache ich das noch mal?, versuchte ich mich zu konzentrieren. Warum bleibe ich nicht einfach gemütlich zu Hause, wie andere Menschen auch? Mann, Kind, Haus, Auto, Baum, Job. Pferde hatten mich noch nie gereizt. Also startete ich eine als Verabschiedung getarnte Umfrage in meinem Freundeskreis.
    »Morgen geht’s schon los?«, fragte die eine Freundin ungläubig. »Wow. Wie fühlst du dich?«
    »Super«, log ich. »Ich kann es kaum erwarten.«
    »Also, ich bewundere ja deinen Mut.«
    »Wieso den Mut?«, fragte ich unschuldig, in der Hoffnung, vielleicht einen Grund zu finden, der selbst mich überzeugte, die Reise absagen zu müssen.
    »Weißt du denn, was dich erwartet, im Zug, in Sibirien und in der Mongolei?«
    »Nein, aber das ist ja immer so«, sprach ich mir selbst Mut zu und wählte die nächste Nummer.
    »Ich beneide dich. Einfach so spontan aufbrechen. Mit Levi. Toll!«, sagte der zu der Nummer gehörende Freund. »Du bist echt mutig.«
    »Danke, ich bin auch stolz, alles organisiert bekommen zu haben. Aber jetzt bin ich auch ein bisschen nervös.«
    »Kann ich verstehen. Wär ich auch.«
    »Wieso?«, fragte ich.
    »Na ja, hör mal. Die lange Reise, mit dem kleinen Levi. So ganz allein. Die sprechen doch alle kein Englisch? Ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen, dass alles gut geht«, drang eine besorgt mahnende Stimme an mein gespitztes Ohr.
    »Danke«, sagte ich leise und legte auf.
    »Du machst das also wirklich?«, fragte meine Mutter etwas gequält. »Ach Julia, lass das doch. Was da alles passieren kann.«
    »Was soll denn passieren?«, versuchte ich lachend meine Mutter und mich von der Harmlosigkeit und Notwendigkeit meiner Reise für mein weiteres Leben zu überzeugen.
    »Krankheit, Unfälle, Überfälle. Meinst du nicht, du mutest dir und Levi zu viel zu?«, beschwor meine Mutter mich weiter. »Entspann dich doch lieber

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