Mutiert
stöhnte Lila Faro, die im Gegensatz zu Luisa Behringer sichtlich der Erschöpfung nahe war. Die deutsche Mikrobiologin hatte den nächtlichen Marsch erstaunlich gut überstanden. Nur kurz konnten sie während der Dunkelheit eine Rast einlegen. Nach Schätzungen des Cabo hatten sie mittlerweile beinahe zehn Kilometer zurückgelegt. Schüsse waren nicht mehr zu hören gewesen. Ihren Vorsprung verdankten sie Tenente Farraz, der ihnen unter Einsatz seines Lebens dazu verholfen hatte. Eine halbe Stunde Pause schien allerdings verantwortbar.
» Sie sind sehr tapfer«, sagte er zu Luisa Behringer, als er sich neben ihr im Schatten niederließ.
» Was bleibt uns übrig«, antwortete sie und blickte zu dem Gefangenen, der, bewacht von den verbliebenen Soldaten, gegenüber am Baum lehnte und ausdruckslos in das Wasser eines kleinen Tümpels blickte.
» Kann ich mit ihm reden?«, fragte Luisa.
» Ich glaube nicht, dass er sich mit Ihnen unterhalten wird«, entgegnete der Cabo. » Er hat bislang nur geschwiegen, warum sollte er …«
» Nur einen Versuch«, antwortete Luisa. » Unter vier Augen, meine ich. Sie können in der Nähe bleiben.«
Der Cabo überlegte einen Augenblick, dann nickte er und erhob sich. Er sprach kurz mit den Soldaten, die den Gefangenen an den Baum fesselten. Schließlich winkte er Luisa heran.
» Wenn du nur mit den Augen zwinkerst, dann sind wir da, und glaube mir, das wird dir nicht gut bekommen«, sagte er mit scharfem Unterton zu dem Gefangenen. Der Mann schwieg und blickte scheinbar unbeeindruckt auf den Boden.
» Passen Sie auf sich auf!«, ermahnte er die deutsche Forscherin. » Wenn er irgendetwas versucht, dann rufen Sie!«
Luisa nickte und ließ sich zu Füßen des Gefangenen nieder. Sie wartete, bis der Cabo verschwunden war. Schließlich räusperte sie sich. » Ich heiße Luisa, und ich bin aus Deutschland«, sagte sie auf Portugiesisch. » Wir sind hier, um diese sonderbare Krankheit zu erforschen, die mittlerweile hunderte von Menschen getötet hat.«
Der Gefangene hob nicht einmal den Kopf.
» Ich weiß, dass Sie mich verstehen. Sie müssen mir helfen. Ich bin nicht daran interessiert, in welche dunklen Geschäfte Sie verstrickt sind. Ich will nur wissen, was in dem Lager am Fluss passiert ist, denn dort ist das Virus ausgebrochen, richtig?«
Noch immer saß der Gefangene regungslos mit gesenktem Kopf auf dem Boden und schwieg.
» Egal, was mit Ihnen passiert, diese Krankheit wird noch weitere Menschen töten. Und es wird Leute treffen, die hier an diesem Fluss leben. Vielleicht sogar Ihre Freunde oder Ihre Familie.«
Der Gefangene hob leicht den Kopf.
» Es ist ein tückisches Virus und es stammt aus dieser Gegend. Wahrscheinlich ist das Wirtstier noch immer hier in der Region. Es wird zu weiteren Infektionen kommen, und wenn wir nicht wissen, woher es stammt, dann werden wir keine Medizin finden, die den Menschen helfen kann.«
Der Gefangene fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
» Wollen Sie Wasser?«, fragte Luisa.
Der Gefangene nickte.
Luisa erhob sich und holte ein Gefäß, das sie mit Wasser aus ihrer Feldflasche füllte. Schließlich kehrte sie zurück und setzte den Becher am Mund des gefesselten Mannes an. Er trank gierig.
» Noch mehr«, stammelte er. Seine Stimme klang dunkel und krächzend.
Luisa füllte den Becher erneut.
» Danke«, sagte der Gefangene, nachdem er getrunken hatte.
» Was ist nun, erzählen Sie mir, was passiert ist?«
Der Gefesselte befeuchtete noch einmal seine Lippen. » Cardoso hat die Krankheit in unser Dorf gebracht«, sagte er.
» Cardoso, ist das ein Freund?«
Der Mann nickte.
» Was ist passiert?«
» Cardoso ist mit seinen Männern in den Norden gegangen. Ein paar Tage später kam er im Boot alleine zurück. Er kam und starb.«
» Hat er etwas gesagt, haben Sie mit ihm gesprochen?«
» Nein, er kam in das Haus und ist zusammengebrochen. Blut lief aus seinem Mund und seiner Nase. Er war sofort tot.«
» Und wo ist Cardoso jetzt?«
Der Gefangene blickte mit leeren Augen auf das Wasser. » Wir haben ihn verbrannt, aber kurze Zeit später kam der Fluch über das Dorf. Zuerst traf es den Wirt und die Frauen in der Kanne.«
Luisa nahm einen Schreibblock aus ihrer Tasche und machte sich Notizen. » Die Kanne, was ist das, eine Art Bodega?«
Der Gefangene nickte.
» Und was ist dann passiert?«
» Die Krankheit brach aus, und ein Teil von uns ist geflüchtet«, antwortete der Gefangene.
» Und der andere
Weitere Kostenlose Bücher