Mutproben
Flughafen haben sie Infrastrukturentscheidungen
nie behindert. Sie haben die Elbvertiefung mitgetragen, die für die Zukunft des Hafens und der gesamten Region entscheidend ist. Die A26 haben sie akzeptiert, ebenso den Ausbau der Wilhelmsburger Reichstraße sowie den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg. Dies waren politisch fundamentale Entscheidungen, die den Grünen intern durchaus viel Kraft abverlangt haben. Aber auch die CDU hat sich hier sehr auf die Grünen zubewegt. So haben wir CO 2 -Einsparungsziele festgelegt, die erheblich ehrgeiziger waren als diejenigen im Bund. Wir unterstützten die Stadtbahn, die nun leider aber wieder kassiert wurde vom SPD-Senat – was ich für einen großen Fehler halte. Und wir haben mit der Entscheidung für eine umfassende Schulreform ein grünes Hauptthema befriedigt. Insgesamt war das eine sehr ausgewogene politische Kooperation. Wir sind über unseren Schatten gesprungen, um gemeinsam große Ziele zu erreichen. Was uns, wie ich finde, im Wesentlichen auch gut gelungen ist.
Ich bemerkte zu dieser Zeit allerdings, dass mir die Freude an der Arbeit abhanden kam. Dass ich mich für die Themen nicht mehr richtig erwärmen konnte. Dass ich zum ersten Mal spürte, wir für mich die Luft aus der Tagespolitik raus war. Einige meinten: »In dem Moment, als dein Vater nicht mehr dein Berater war, hast du angefangen, Mist zu machen.« Das war sicher überspitzt. In vielen Dingen habe ich meinen Vater nie um Rat gefragt. Aber tatsächlich war es natürlich so, dass mir eine wichtige Kontrollinstanz dadurch
fehlte. Möglicherweise hätte ich die Schulreform nicht so radikal und über die Köpfe der eigenen Leute hinweg durchgekämpft. Gern rief mein Vater mich bei bestimmten Entscheidungen an und lag mir in den Ohren: Um Gottes Willen, was hast du da wieder gemacht, dies sei doch falsch und jenes nicht richtig ... Ich habe ihm oft widersprochen. Doch nach unseren Gesprächen ließ ich die Kritik sacken und befand im Nachhinein dann doch nicht selten, dass mein Vater gar nicht so falsch gelegen hatte mit seiner Meinung. Dabei war er überhaupt kein Rechthaber; von ihm ging auch keine väterliche Autorität aus, sondern er hatte leider einfach oft die besseren Argumente auf seiner Seite.
Es hatten sich etliche Themen gehäuft, die zäh waren und an denen ich meine Abnutzungserscheinungen bemerken konnte. Neben dem großen Problem mit der Akzeptanz und Durchsetzung der Schulreform gab es ein weiteres, vordergründig eher banal wirkendes Thema, bei dem die Koalition – und auch ich persönlich – Fehler machte. Wir hatten die Beseitigung des Glatteises im Winter 2009/2010 nicht in den Griff bekommen. Dieses Problem wurde zum Dauerbrenner.
Über Wochen war ein Großteil der Geh- und Radwege so vereist, dass die Leute zu Hunderten hinfielen, sich Knochen brachen und dass gerade ältere Menschen, aus Angst zu stürzen, ihre Wohnungen nicht verließen. Zwar wäre der wesentliche Teil von Schnee- und Eisbergbeseitigung die Aufgabe der privaten Immobilieneigentümer gewesen, doch dieses Argument wurde als Ausrede der Stadt empfunden und die Politik mehr und mehr verantwortlich gemacht für die
Umstände. Als ich schließlich versuchte gegenzusteuern, war es schon fast zu spät, und die Verwaltung ging es schließlich auch nur sehr halbherzig an. Einer schob die Verantwortung auf den anderen ab. Erst zum Winterende besserte sich die Situation. Was blieb, war der verheerende Eindruck: Die können es einfach nicht. Dieser Eindruck hatte teilweise skurrile Auswirkungen. So wurde dem Senat von Teilen der Presse vorgeworfen, dass dieser die zugefrorene Außenalster nicht für das Betreten zum Feiern eines großen Volksfestes freigab. Schwarz-Grün sei eine »Spaßbremse«, hieß es, das Eis auf den Wegen können sie nicht beseitigen, aber uns wollen sie das Fest auf dem Eis verbieten. Tatsächlich war nach Einschätzung der Experten die Eisdecke schlichtweg zu dünn und die Gefahr für die Masse an Menschen viel zu groß, um einer Freigabe zuzustimmen. Doch das wollte man einfach nicht hören.
Die Bürger hatten ja recht, Verwaltung muss funktionieren. Dennoch war die Diskussion im Grunde irrational. Vermutlich wäre ich einige Jahre früher noch sensibler mit diesem Thema umgegangen, denn als Politiker sieht man sich oft mit solchen Konflikten konfrontiert. Jetzt aber nervte es mich, und ich spürte eine schwindende Lust in mir.
Rücktritt
Ein weiteres Mal wollte ich nicht kandidieren. Schon vor
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