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Mutproben

Mutproben

Titel: Mutproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole von Beust
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der Wahl 2008 hatte ich diese Entscheidung für mich getroffen.
Aber so etwas darf man als Politiker nicht laut sagen. Man wäre ab diesem Zeitpunkt das, was die Amerikaner als »Lame Duck« bezeichnen: eine lahme Ente. Ab dann beschäftigten sich alle mehr mit der Frage der Nachfolge als mit Politik. Wenn diese Frage auftaucht, dann richten sich die Magnetnadeln ganz schnell neu aus.
    Nur wenige aus meinem persönlichen Kreis wussten schon länger von meiner Entscheidung. Meinen designierten Nachfolger, den Fraktions- und Parteivorsitzenden der CDU, und die Spitzen der Grünen informierte ich Anfang des Jahres 2010. Der genaue Zeitpunkt des Rücktritts stand allerdings lange nicht fest. Wir planten die weitreichende Schulreform, in der wir die Primarschule bis zur sechsten Klasse anstrebten, und ich wollte dieses Projekt gerne noch aus dem Amt des Bürgermeisters unterstützen. Als sich dann großer Widerstand aus der bürgerlichen Schicht breitmachte und der Volksentscheid terminiert werden sollte, war es natürlich naheliegend für mich, diesen Zeitpunkt auch für meinen Rücktritt zu nutzen. Wäre der Volksentscheid gewonnen worden, hätte ich einen Sieg davongetragen und sagen können, das nun auch noch erfolgreich durchgebracht zu haben. Das wäre natürlich ein schöner Abschied gewesen. Bei einer Niederlage konnte ich immerhin die Verantwortung übernehmen mit dem Vorteil, dass die anderen, vor allem mein Nachfolger und die grüne Senatorin, aus der Schusslinie wären und so die Koalition keinen Schaden davontragen würde.
    Angela Merkel hatte ich ebenfalls frühzeitig über meine Entscheidung informiert. Sie war in diesem Punkt zwar kritisch
und bedauerte meinen Schritt, aber sie hatte Verständnis. Sie sagte, dass sie eines aus der DDR gelernt habe: dass man aus politischer Pflichterfüllung nie das Leben anderer und deren Entscheidungen beeinflussen dürfe. Die persönliche Lebensentscheidung gehe für sie immer vor.

    Es war alles vorbereitet. Die Gerüchte brodelten bereits seit Wochen hoch. Noch vor dem Ergebnis zum Volksentscheid trat ich also vor die Presse und verkündete meinen Rücktritt. Ich leitete meine Erklärung mit den folgenden Worten ein: »Die biblische Erkenntnis ›Alles hat seine Zeit‹ gilt für alle Politiker. Selbstverständlich gilt sie auch für mich. In dieser Erkenntnis habe ich mich entschieden, bei den Wahlen im Jahr 2012 nicht wieder als Bürgermeister-Kandidat anzutreten.« Ich fügte hinzu, dass das Ergebnis des Volksentscheides auch mein Ergebnis sein würde, um möglichen Missverständnissen dadurch gleich entgegenzuwirken. Mein Rücktritt sollte mit dem Volksentscheid nichts zu tun haben, aber die Schulreform liege in meiner Verantwortung, und damit sei also auch das Ergebnis des Entscheids mir zuzuschreiben.
    Mein Ziel war es, dass die CDU auch weiterhin regieren konnte. Und ich hoffte, dass dies auch mit den Grünen gelingen würde. Dass es nach meinem Abschied nicht gerade einfacher werden würde, war mir natürlich bewusst. Die Kritiker stürzten sich ja schließlich auch gleich genüsslich auf dieses Thema und warfen die Frage auf, was aus der Koalition ohne mich nun werden sollte, und was nur aus der Hamburger CDU. Um dafür zu sorgen, dass nach meinem Rückzug alles
beim Alten bleiben und die Koalition bis zur nächsten Wahl unbeschadet regieren konnte, dafür brauchte es einen starken Nachfolger.
    Ich hatte zuvor eine Reihe von Gesprächen geführt, da für das Amt des Ersten Bürgermeisters mehrere Personen infrage kamen. Ich dachte zunächst, dass jemand von außen nicht ganz so viele Probleme bekommen würde wie jemand aus den eigenen Reihen in Hamburg. Jemand also, der nicht die über Jahre hinweg gewachsenen Machtstrukturen zu berücksichtigen hätte, jemand, der sich mit der von mir ihm übertragenen Autorität gleich etablieren könnte. Drei Leute außerhalb Hamburgs wollte ich gewinnen. Doch leider scheiterten alle Gespräche, alle drei lehnten ab.
    Also galt es nun intern zu schauen, wer den Laden zusammenhalten kann, auf wen sich alle würden verständigen können. Wir einigten uns auf Christoph Alhaus. Und ich sah das auch keineswegs als Notlösung. Christoph Alhaus ist ein charakterlich anständiger Mann, er war zuvor ein hervorragender Innensenator gewesen, kannte die Partei aus seiner langjährigen und geschätzten Arbeit als Landesgeschäftsführer, er war Jurist, was auch nie schaden kann, und er hatte exekutive Erfahrungen als Staatsrat. Dass er

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