Mutproben
letztendlich mit der Koalition scheiterte und auch bei den Wahlen eine solche Bruchlandung erleben sollte, lag an verschiedenen Faktoren. Ich bin überzeugt: Hätte er mehr Zeit gehabt, wäre er ein guter Bürgermeister geworden. Trotz aller Schwierigkeiten am Anfang.
Der Vorwurf, den ich später aus Teilen der CDU vereinzelt
hörte, dass ich Alhaus nur aus Egoismus aufgestellt hätte, weil er ein besonders schwacher Kandidat gewesen sei und ich im direkten Vergleich besonders glänzen konnte, nach dem Motto: »Schaut her, ohne mich geht’s nicht!«, ist absurd. Die Entscheidung für Christoph Alhaus war nie eine Entscheidung für jemanden, der scheitern wird. Es wäre nie meine Art gewesen, mir ein Denkmal zu setzen, indem ich einen schwachen Nachfolger benenne. Letztlich hat man ja bei der Suche nach einem Nachfolger nur bedingt Einfluss. Schließlich war ich kein Monarch und hatte keinen Erbhof. Die Entscheidung ist gemeinsam aus damals guten Gründen getroffen worden und wurde zunächst ja auch akzeptiert. Die CDU nominierte Alhaus einstimmig, die Grünen unterstützten ihn mit großer Mehrheit und im Parlament bekam er so viele Ja-Stimmen, wie ich sie nie erhalten hatte.
Im Nachhinein denke ich natürlich darüber nach, ob ich vorwerfbar falsch gehandelt habe, ob ich vielleicht wegen meiner Präsenz, bisweilen sogar Dominanz in den Medien nicht hätte zurücktreten dürfen. Aber im Grunde bin ich überzeugt: Jeder ist ersetzbar! Und es ist gemeinhin ein Fehler, einem Nachfolger nicht die Möglichkeit einzuräumen, sich selbst noch vor der nächsten Wahl einen Amtsbonus zu erarbeiten.
Wenn man jedoch lange im Amt ist, hat man den Laden vielleicht stärker domestiziert, als man sich das selbst eingestehen kann. Und möglicherweise wirkt man dann auch dominierender, als es einem bewusst ist. Wenn Leute mir Recht gaben, dann dachte ich doch gern, dass ich den anderen durch
Argumente überzeugt hatte. Oftmals ist es allerdings so, dass die Menschen, die einen in einer Spitzenposition umranden, einfach nicht widersprechen. Man selbst denkt, die Leute seien nett, weil man gut ist. Die Leute wiederum meinen, sie müssten nett sein, weil man oben ist. Die eigene Eitelkeit überlistet einen da gern selbst. Und so habe ich vielleicht in den letzten Monaten und Jahren das ein oder andere Alarmzeichen übersehen, das mich in einigen Dingen hätte wachrütteln müssen.
In meiner Entscheidung zum Rücktritt jedenfalls habe ich richtig gelegen. Davon bin ich nach wie vor überzeugt. Letztendlich muss man akzeptieren, dass jede Entscheidung, die man trifft, irgendwo ihre Kritiker finden wird. Denn nach meinem Rücktritt gab es auch die anderen Stimmen, die unkten, ich verließe das Schiff nun bei stärkstem Sturm. Wäre ich jedoch länger geblieben und wäre die nächste Wahl schief gegangen, hätte es wiederum geheißen, ich würde am Sessel kleben. Wie man’s also macht, man bietet immer Angriffsfläche. Damit muss man leben, wenn man sich für die Politik als Beruf entscheidet.
Meine Rücktrittserklärung schloss ich mit den Worten: »Aufgrund meiner persönlichen Verankerung innerhalb der CDU, bei der Freude am Amt des Bürgermeisters, der Nähe zu vielen und der besonderen Nähe gerade zu meinen persönlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe ich mich trotz auch schwieriger Stunden in diesem Amt niemals einsam, sondern immer gut aufgehoben gefühlt.« Formuliert hatte ich diese Erklärung erst kurz vor meinem Rücktritt.
Diese fünf Minuten, in denen ich da stand, waren schwierig für mich, und richtig nahe ging mir dann der Abschied von meinen Mitarbeitern sechs Wochen danach erst, als ich endgültig das Büro verließ mit meinen letzten Sachen unter dem Arm. Über teilweise zehn Jahre waren wir gemeinsam durch Aufs und Abs gegangen. Mit meinen Mitarbeitern fühlte ich mich daher sehr verbunden. Und als dann alle im Büro morgens standen und mich verabschiedeten, da sind mir doch die Tränen noch hochgestiegen.
Politikerjahre VI – Oder die Macht der Freiheit
Es ist kein eindeutiger Vorgang, kein plötzlicher Moment, der über einen kommt wie eine unerwartete Katastrophe. Der Verlust von Freiheit verläuft sukzessive. Zunächst war ich natürlich fasziniert vom neuen Glanz im Amt, als Bürgermeister wurde ich umschmeichelt, ich war öffentlich und bekam viel Zuspruch von allen Seiten. Das jedoch erschöpfte sich schnell. Reizvoll blieb nur die Macht oder das, was man darunter versteht. Ich konnte Dinge
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