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Mutproben

Mutproben

Titel: Mutproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole von Beust
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Wert. Das gilt insbesondere für das
Mittagessen in Kitas und Schulen, das durchaus seinen Preis haben sollte und nicht umsonst verteilt werden muss, wie es die SPD und die Linke immer wieder fordern. Eltern und Kinder müssen ein Gespür dafür bekommen, dass Nahrung ein Wertgegenstand ist, den man zu schätzen hat.
    Die Politik kann bei der Kita-Organisation Weichen stellen. In Hamburg etwa haben wir als einziges Bundesland das Gutscheinsystem eingeführt, was zunächst zu wütenden Demonstrationen von Kitaträgern führte. Man bekam nun keinen Kita-Platz mehr zugewiesen, der sich nach Stadtteil-Zugehörigkeit richtete, sondern die Eltern konnten sich die Kita selbst aussuchen. Plötzlich waren alte Besitzstände aufgehoben. Die Eltern mussten sich mit der Frage befassen, welches die beste Kita für ihr Kind sei, und die Kitas sahen sich plötzlich einem Wettbewerb ausgesetzt. Diejenigen, die besonders oft gebucht wurden, konnten expandieren. Die Gutscheine waren der erste Schritt. Der zweite waren die Gebühren: Diejenigen, die mehr Geld verdienten, sollten auch mehr zahlen. Als wir mit dieser Reform begannen, bezuschussten wir die Kitas mit jährlich 300 Millionen Euro, am Ende meiner Amtszeit war das Budget auf 380 Millionen gestiegen.
    Bessere Ausbildung für Erzieher und Lehrer
    Ich selbst war das, was man einen typischen Spätzünder in der Schule nennt. In den ersten Jahren auf dem Gymnasium hatte ich erhebliche Defizite. Nachdem ich glücklich durch
die Aufnahmeprüfung geschleust worden war, habe ich noch bis zur Pubertät in der Schule wirklich gelitten. Erst in der neunten Klasse konnte ich mich etwas fangen.
    In den ersten Jahren auf dem Gymnasium gab es kaum ein Fach, in dem ich keine Nachhilfe bekam. Meine Leistungen in Latein waren eine Katastrophe, um meine Englischergebnisse stand es ähnlich. Nur in Deutsch, Gemeinschaftskunde und Physik, als einzige Naturwissenschaft, schlug ich mich ganz ordentlich. Neben der Nachhilfe waren es vor allem einige Lehrer, die mich vor dem Sitzenbleiben bewahrten. Mein Lateinlehrer war unglaublich gebildet und ich bewunderte ihn sehr, und auch unseren Mathematik- und Physiklehrer habe ich sehr verehrt. Er liebte seine Fächer und machte viele Experimente mit uns Schülern. Für Kinder hat die Praxis immer einen größeren Lerneffekt als abstrakte, an die Tafel gemalte Informationen.
    Genauso gab es natürlich auch jene Lehrer, an die ich mich erinnere, weil sie besonders unangenehm waren. Es waren die üblichen Dinge: Einer warf mit einem Schlüsselbund nach uns Schülern oder verteilte üble Strafarbeiten, ein anderer holte die Schüler einzeln nach vorn, wenn er Klassenarbeiten zurückgab. Vor der ganzen Klasse machte er dann die schwachen Schüler zur Schnecke.
    Heute muss ein Lehrer weit mehr Anforderungen erfüllen als noch zu meiner Zeit. Bei den meisten Kindern sind beide Elternteile berufstätig. Die Zeit, in der sie sich um die Kinder kümmern können, hat drastisch abgenommen. Als ich noch Schüler war, gab es zumindest in meiner Wohngegend noch
die klassische Aufgabenteilung innerhalb der Familien: Der Mann ging zur Arbeit und sorgte für den Unterhalt, die Frau blieb zu Hause, kümmerte sich um die Kinder und machte die Hausarbeit. Die Kinder kamen nach Hause und ein Elternteil war immer für sie da. Diese Struktur ist heute bei höchstens einem Drittel der Kinder noch vorzufinden. In den meisten Fällen sind die Kinder und Jugendlichen nach der Schule auf sich allein gestellt. Schule war früher ein Ort reiner Wissensvermittlung, die Charakterbildung passierte im Wesentlichen durch die Eltern. Deren Mangel an Zeit muss jedoch aufgefangen werden, und somit hat die Schule inzwischen zusätzlich einen Erziehungsauftrag. Dass dies den Lehrern eine besondere Verantwortung aufbürdet, liegt auf der Hand, und folglich steigt deren Belastung.
    Wer heutzutage Lehrer werden will, muss entsprechend pädagogisch gerüstet sein, insbesondere weil Kinder und Jugendliche inzwischen weit weniger Respekt vor Autoritäten haben und es den Lehrern sehr schwer machen, mit ihnen zu arbeiten. Dementsprechend hoch ist heute die Frühpensionierungsquote. 2010 musste jeder fünfte Lehrer wegen Krankheit in Pension gehen. Insgesamt lag das Durchschnittsalter bei den Frühpensionierten bei etwa 58 Jahren. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste jeden Tag auf einer kleinen Bühne stehen, präsent sein von morgens um acht bis nachmittags um vierzehn Uhr, dann kann ich die Belastung,

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