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Mutter des Monats

Mutter des Monats

Titel: Mutter des Monats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Hornby
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ja aus wie neunzig.
    »Kommst du auf einen Kaffee mit, Deborah?«, fragte Melissa freundlich.
    So langsam wurde das hier zu einer Massenveranstaltung, dachte Heather missmutig. Mittlerweile herrschte auf ihrer Schwelle ein ganz schönes Gedränge. Ein Besen wäre jetzt nicht schlecht, dann könnte sie mal so richtig auskehren. Die Einzige, die nicht hier herumlungerte, war Rachel Ego-Mason, Gott sei Dank.
    Heather sah sich um. Wo war Rachel überhaupt? Ah ja, da war sie, allein, ein Stück von der Buche entfernt – stocksteif stand sie da und starrte Mr Orchard an. Der stand auf den Stufen zum Eingang, die Hände in den Taschen, und starrte zurück. Ulkig, keiner von beiden schien sich vom Fleck zu rühren, weder sprachen sie miteinander, noch wandten sie sich voneinander ab – was ja nur höflich gewesen wäre, denn wie jeder weiß, ist es sehr unerzogen, Leute anzustarren.
    Dann rief Melissa: »Rachel, wir gehen auf einen Kaffee.« Da war der Bann gebrochen, und Rachel stand plötzlich an Melissas Seite.
    »O weh. Macht es dir was aus, ich meine, könnte ich vielleicht …«, Heather bemerkte, dass Rachel fast so klang, als würde sie betteln, und das ging ihr langsam echt auf die Nerven, »… mitkommen?«
9.15 Uhr: Versammlung
    Georgina trudelte als Letzte im Kupferkessel ein, denn sie hatte Hamish noch im Kindergarten abgeliefert. Er war neuerdings an zwei Vormittagen dort, und zum ersten Mal seit zehn Jahren lagen viele kinderlose Stunden vor ihr. Gott sei Dank bekam sie bald das nächste Kind, damit wäre das Problem erst mal wieder aufgeschoben.
    Unter melancholischem Glockenklang schloss sie die Tür, sperrte den Sonnenschein aus und trat in die Düsternis. Da, am langen Tisch vor dem einzigen Fenster im Café, saßen schon die anderen. Georgina bahnte sich einen Weg an den anderen Gästen vorbei – einige Mütter von St. Ambrose hielten nach den Ferien ein kurzes Schwätzchen, die anderen, ältere Damen, wirkten etwas entspannter, sie hatte alle Zeit der Welt – und trat an den Tisch mit ihren Freundinnen. Joanna – mager, blass, mutig – saß zu Melissas Linken, Heather – zu nah dran, fast auf Melissas Schoß – zu ihrer Rechten. Ihnen gegenüber saß nur Rachel, wie eine Bewerberin beim Vorstellungsgespräch. Deborah saß am Kopfende. Georgina beugte sich hinab, um Joanna zu umarmen und auf die Wange zu küssen – »Alles okay, Süße?« –, dann setzte sie sich hin. Rachel schob ihr die Teekanne hin: »Hab dir einen grünen Tee bestellt.«
    Die Unterhaltung verlief etwas schwerfällig. Georgina schenkte sich erst mal ein und lauschte dem Gespräch am Nachbartisch, vielleicht würde das Eis ja mit der Zeit etwas brechen. Vier Frauen – Ende fünfzig? Jung gebliebene sechzig? – hatten sich eine Menge zu erzählen. Irgendein fremdes Kind stand kurz vorm Abitur, und alle waren mit vollem Interesse dabei. Georgina durchlief natürlich gerade eine Phase ihrer Schwangerschaft, wo sie alles zu Tränen rührte, von den Nachrichten bis zur Clearasil-Werbung – deshalb hätte sie jetzt am liebsten losgeheult.
    Sie hatte ein liebevolles Verhältnis zu allem, was wuchs und gedieh: ob sie die Größe der Kinder an der Küchenwand markierte oder einen Ast der Tomatenpflanze im Gewächshaus um den nächsthöheren Draht wickelte. Es erfüllte sie stets mit tiefer Genugtuung, Menschen oder Pflanzen beim Weiterwachsen zu helfen, ohne etwas abbrechen oder beschneiden zu müssen. Für Georgina war diese Art des Umgangs lebensbejahend. Freundschaften waren da keine Ausnahme. Je länger sie währten, desto kostbarer wurden sie. Wie hätte sie es wohl sonst schon eine gefühlte Ewigkeit mit Heather Dumpfbacke Carpenter ausgehalten?
    »Also«, brach Rachel das Schweigen. »Hat schon jemand den neuen McEwan gelesen?«
    »Nö.« Joanna zog ein gewohnt gelangweiltes, genervtes Gesicht. »McEwan ist ein Arschloch.«
    Die Frauen am Nachbartisch kannten sich offensichtlich schon eine Ewigkeit, sie saßen genau wie Georgina, Rachel, Joanna und Heather in diesem Café, waren aber bereits fünfzehn Jahre weiter. So werden wir auch mal sein, dachte sie. Auch dann werden wir miteinander reden, uns Sorgen und Gedanken machen, nicht nur über unsere Kinder, sondern auch über die nächste Generation. Sie waren schon so viele Jahre zusammen, wieso sollte das aufhören? Maisie hatte bereits von Kindesbeinen an zu Georginas Familie gehört, Heather hatte jedes der Martin-Kinder kurz nach der Geburt auf dem Arm gehalten. Seit

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