Mutter des Monats
Steves Tod hatte sie Joannas Jungs jeden Tag gesehen. Innerhalb eines Jahres hatten sie einen Suizid und eine Scheidung miteinander durchgemacht, wer wusste schon, was das Leben noch für sie bereithielt? Da kam sie jetzt nicht wieder raus. Das wäre so, als würde sie ein spannendes Buch nach dem vierten Kapitel beiseitelegen.
»Habt ihr euch beim Anblick der ganzen alten Mädchen schon mal gefragt«, versuchte es Rachel erneut, »wo die Männer sind? Ob die was Interessanteres zu tun haben?«
»Nö.« Melissa zuckte mit den Schultern und lächelte. Die Sonne trat hinter einer Wolke hervor und strahlte ihr Haar von hinten an. »Tue ich nicht. Ich meine, ich frage mich weder, wo sie sind, noch gehe ich davon aus, dass sie was Interessanteres treiben.«
Plötzlich sah Georgina alles in einem anderen Licht: Aus diesen individuellen Verbindungen war etwas gewachsen. Sie waren jetzt eine Gruppe, ein enges, dichtes Geflecht aus Menschen, denen sie und ihre Kinder etwas bedeuteten, und das würde immer so bleiben. Sie erkannte, dass ihre Freundinnen stets Anteil an ihren Neuigkeiten nehmen würden, sich darüber Gedanken machen und sie mit Sorgfalt weitererzählen würden. In ihrem tiefsten Inneren wusste sie: Je mehr Menschen an einem Anteil nahmen, ob wegen Abiturnoten oder sonst irgendwas, desto besser würde es gelingen. Anteilnahme am Leben der anderen war der Klebstoff, der alles zusammenhielt. Durch ihren Zusammenhalt und ihre vielschichtige Bindung hatten sie ein stabiles, sicheres Fundament geschaffen, auf dem ihr Nachwuchs gedeihen könnte.
Sie riss sich zusammen, wischte sich eine Träne von der Wange und wandte sich wieder der Runde zu.
»Komisch, nicht?« Heather blickte nachdenklich in eine Ecke. »An diesem Tisch hat Bea mit ihrer Gang sonst immer gesessen. Jeden Morgen. Bevor sie anfing zu arbeiten.«
Georgina ließ den Blick in die Runde schweifen. »Hmmm. Der Algonquin Round Table ohne Dorothy Parker.«
»Das stimmt übrigens gar nicht«, sagte Joanna.
»Ja, ich weiß. War nur ein Witz.«
»Nein, sie hat gar keinen richtigen Job.« Immer noch klang Joanna gelangweilt und genervt. »Was Bea macht, würde ich nicht als Job bezeichnen. Sie hat diesen Chefkoch kennengelernt, der erst am Anfang seiner Karriere steht, und hat ihn sozusagen übernommen. Hat sich einfach als seine Agentin für PR und so ausgegeben. Er hat sie gar nicht darum gebeten.«
»Moment mal!« Georgina konnte kaum glauben, was sie da hörte. Sie hatte ein Rauschen im Kopf, einen Kloß im Hals. »Holla, ganz langsam. Das ist wichtig. Die Tatsachen bitte, Joanna! Denk gut nach. Was willst du damit andeuten?«
»Na, erstens bezahlt er ihr keinen müden Cent, und ich glaube …«
»Was?«, fuhr Georgina wie elektrisiert dazwischen. »Das darf ja wohl nicht wahr sein! Ich wusste es!« Sie schnappte sich Rachel. »Rachel Mason, hast du das gehört?«
»Wahnsinn!« Rachel schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wenn das kein FJ ist.«
»Ein FJ !«, wiederholte Georgina. »Sie hat einen FJ ! Mensch, ich hätte es wissen müssen.« Sie sackte auf ihrem Stuhl zusammen und schlug sich vor die Stirn.
»Wie, zum Teufel, konnte uns das entgehen?« Rachels Stimme war mittlerweile ein paar Oktaven höher geklettert.
Georgina ergriff Joannas Hand. »Mann, habe ich dich vermisst. Ein verdammter FJ ! Du hast mir den Tag gerettet!«
» Was, bitte, ist ein FJ ?«, fragte Melissa.
»Ein Fantasiejob«, sangen die anderen im Chor.
»Und das hier ist ein perfektes Beispiel dafür«, erklärte Georgina. »Schau, es gibt Frauen auf dieser Welt wie Joanna, Rachel und natürlich dich, Melissa, die ihr Geld erarbeiten. Dann gibt es Frauen wie mich und Heather, die sich entschieden haben, zu Hause bei den Kindern zu bleiben und einen Teufel tun würden, den anderen etwas anderes vorzumachen.«
Heather nickte.
»Und ich bin eigentlich HR Managerin «, merkte Deborah an. »Das hier ist nur eine kurze Auszeit .«
»Und dann gibt es die Leute mit Fantasiejobs. Die so tun, als würden sie arbeiten, einen Riesenterz darum machen, sich aufführen wie der große King und uns von oben herab behandeln, obwohl ihre Arbeit völlig nutzlos ist und sie nicht mal Geld damit verdienen.«
Rachel war ganz Georginas Meinung. »Diese Leute kann man immer gut erkennen, weil sie sechs Wochen in Norfolk oder sonst wo Urlaub machen, und keiner hat was dagegen.«
»Wie diese Abby«, sagte Georgina.
»Aber die arbeitet doch in einer Werbeagentur«, warf Heather
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