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Mutter des Monats

Mutter des Monats

Titel: Mutter des Monats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Hornby
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Georginas Schulter. »Ich erzähle dir auch von gestern Abend.«
    »Moment, ich habe zwar mein Interesse bekundet, aber meinen Nachtisch teile ich deshalb noch lange nicht mit dir.« Zögerlich hielt sie Rachel die Schüssel hin. »Raus damit: Geknutscht oder nicht geknutscht?«
    »Natürlich nicht geknutscht. Also echt, Georgina!«
    Georgina zerrte an der Schüssel. »Kein Geknutsche, keine Erdbeeren.« Sie stopfte sich einen Löffel voll in den Mund und spuckte angewidert alles wieder aus. »Was zum Teufel hat sie damit angestellt? Diese Frau hat Kochtourette!«
    »Ehrlich, wir haben nichts miteinander. Wir waren nur zusammen essen, mehr nicht. Und jetzt arbeiten wir gemeinsam an dieser nervigen Zeitleiste, die er ein bisschen zu ernst nimmt. Er hat mich allerdings nach Hause begleitet. Es hat zwar geregnet, aber wir haben uns unter seinen Regenschirm gequetscht.«
    »Die Frau kann ein Essen mit den einfachsten Zutaten versauen. Das hier ist kein Gericht, sondern ein Gewaltakt. Warum muss sie immer alles verschlimmbessern?«
    »Aber mit ihm werde ich nichts anfangen, und auch sonst mit keinem. Niemals. Als ich zurückkam, war Josh noch auf, er saß am Fenster und hat uns beobachtet. Mit verschränkten Armen hat er mich empfangen. Und geschwiegen. Das tut er allerdings schon seit Monaten. Also kannst du dir das vorstellen? Vor deinen Kindern mit jemandem rumzumachen, der nicht ihr Vater ist?«
    »Colette hat das offenbar perfekt drauf. ›Erdbeeren mit Sahne‹ habe ich gesagt, klar und deutlich. Kann sie nicht mal die einfachsten Anweisungen befolgen?«
    »Früher hieß es immer ›Wäh! Habt ihr kein eigenes Zimmer?‹, wenn Chris mir nur ein Küsschen auf die Wange gegeben hat. Ich frage mich, wie sie die Wochenenden mit der blöden Assistenzärztin überstehen, aber irgendwie kriegen sie das hin. Die neue Regelung war echt die Rettung. So hat sich alles etwas normalisiert.«
    »Meine Güte. Sie hat irgendein Zeugs in die Creme gemischt. Schmeckt wie Zahnpasta.«
    Diese Nachspeise war ein neuer Tiefpunkt in der kulinarischen Geschichte von St. Ambrose, aber Rachel kümmerte das nicht weiter. Sie fischte sich die Erdbeeren aus der Schüssel und schob sie sich in den Mund, ohne sich um ihr körperliches Wohlergehen zu sorgen.
    »Er ist wirklich nett. Erstaunlicherweise sind wir uns vorher noch nie über den Weg gelaufen, obwohl er ganz in der Nähe meiner Kunstakademie aufs College gegangen ist. Wir waren sogar auf derselben Antikriegsdemo und so.«
    Sie genehmigte sich noch eine sogenannte Erdbeere und tauchte sie in die verseuchte Creme. Georgina musste sich abwenden, das war ja nicht mit anzusehen. Sie konzentrierte sich stattdessen auf den Stuhl vor der Kommode, den Heather bei einem Polsterkurs selbst restauriert hatte.
    »Das ist schon witzig. Weil damals vielleicht was zwischen uns gewesen wäre. Wenn wir uns über den Weg gelaufen wären. Wie das Leben so spielt. Man fährt herum, ist ständig auf Kollisionskurs, und merkt es nicht mal. Ja, er ist ein netter Typ. Wir verstehen uns echt prima. Aber die Chancen, dass daraus etwas werden könnte, stehen bei null.«
    Natürlich war es Georgina nicht entgangen, dass Rachel die letzten sechs Monate schwer zugesetzt hatten. Sie hatte dabei zugeschaut, wie Rachel immer mehr abgemagert war und ihr überschäumendes Wesen fast völlig verloren hatte. Doch jetzt, da Rachel sich völlig unkritisch an Heathers Ekelcreme labte, wurde ihr das wahre Ausmaß der Tragödie klar. Vor ihr saß eine Frau ohne jede Selbstachtung.
    »Ich meine, schau ihn dir an: Er ist ein echter Single, ein munterer Geselle mit einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen. Warum zum Teufel sollte er sich mit mir und meinen Päckchen das Leben schwer machen?«
    Für Georgina war die Einstellung eines Menschen zur Ernährung ein zuverlässiger Hinweis auf dessen seelisches Wohlbefinden. Es wunderte sie, dass die Regierung sich nicht intensiver damit auseinandersetzte. Politiker redeten doch ständig von der »Zufriedenheit der Bürger« und stellten gern so viele neugierige Fragen über Einkommen, Gesundheit und Sexualleben, dass die Bürger sich über die staatliche Überwachung beklagten. Aber bei einem Staat, der seine Bürger wirklich überwachen wollte, müssten die Fragen doch wohl ganz anders lauten: »Setzen Sie sich beim Essen an einen Tisch?« und »Was haben Sie heute zum Frühstück gegessen?«
    »Deshalb haben wir uns nicht wieder verabredet. Das war alles nur wegen dieser blöden

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