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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten
Autoren: Troy Una
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antun.« Dinas Stimme zitterte. »Das heißt, wenn sie überhaupt vorhat zurückzukommen.«
    James reagierte scharf: »Also bitte, wir wollen jetzt mal mit Vernunft an die Sache herangehen!« Er klopfte mit dem Finger auf den Brief. »›Ich will erst mal von der Bildfläche verschwinden, um Euch zu beweisen, daß ich durchaus in der Lage bin, auf eigenen Füßen zu stehen, wenn es sein muß, und deshalb verrate ich Euch auch vorläufig meine Adresse nicht.‹ Du siehst also, sie hat vor zurückzukommen.«
    »Das sagt sich so leicht«, rief Jill mit angstvoll aufgerissenen Augen, »aber ihr kennt doch Mammi, sie ist so vertrauensselig! Ich meine, sie freundet sich doch mit jedem gleich an, und sie ist schon seit Freitag abend fort. Stellt euch vor, was in der Zwischenzeit alles passiert sein kann! Vielleicht hat man sie verschleppt oder in kleine Stücke gehackt und in einen Koffer gepackt – oder in mehrere, was weiß ich – und sie bei der Gepäckaufbewahrung auf irgendeinem Bahnhof abgegeben?«
    »O Gott«, stöhnte Dina. »Ich hab' dir doch gleich gesagt, James, du mußt sofort zur Polizei gehen!«
    Mit einem betont geduldigen Tremolo in der Stimme, das noch viel mehr an Dinas Nerven zerrte als Jills morbide Phantasien, sagte James: »Wie oft muß ich euch eigentlich noch erklären, daß keine Polizei der Welt einen gesetzestreuen Erwachsenen dazu zwingen kann, in den Schoß der Familie zurückzukehren?«
    »Also gut, aber ihr tut geradeso, als gäbe es keine Vermißtenanzeigen«, meinte Dina, »oder vielleicht könnten wir eine Suchaktion durchs Radio starten: Mrs. Elsie Brown, die wahrscheinlich im Wagen … oh, irgendwo! … unterwegs ist, möchte sich sofort bei der nächsten Polizeistation melden, wo eine dringende Nachricht auf sie wartet!«
    »Zu einfach«, widersprach Jill. »Ich würde mich für Mammi schämen, wenn sie auf so'n dummen Trick hereinfiele.«
    »Richtig«, stimmte James herablassend zu. »Abgesehen davon, wäre es von uns sehr unüberlegt gehandelt. Wir würden damit die Sache nur an die große Glocke hängen, was wir doch gerade vermeiden wollen. Ich persönlich vermute, daß Mammi nichts Schlimmeres zustoßen wird, als daß sie in irgendeiner gottverlassenen Gegend ohne Benzin steckenbleibt, sagen wir in Yorkshire … oder vielleicht in Schottland.« Dann fügte er in einem äußerst schroffen und unangenehmen Ton hinzu: »Und recht würde ihr geschehen für soviel Falschheit und Hinterlist.«
    Dinas Gesicht hellte sich auf.
    »Ja, und weit wird sie mit der alten Kaffeemühle sowieso nicht kommen. Die bricht sicher schon nach ein paar Kilometern zusammen.«
    »Genauso wird's sein, Gott sei Dank!« Jill lachte etwas unsicher. »Trotzdem ist es nicht leicht, so tatenlos herumzusitzen und auf sie zu warten.«
    »Uns bleibt gar nichts anderes übrig«, resignierte James, »zum Glück wissen wir, daß sie dort, wo immer sie ist, nicht lange bleiben kann, weil sie nicht genug Geld bei sich hat.«
    »Bitte, James, wenn sie zurückkommt, vielleicht fällt uns irgend etwas ein, damit Cucullan keinen Maulkorb tragen muß.«
    James fuhr wütend auf: »Dieser verfluchte Köter ist wahrscheinlich die Ursache allen Übels.«
    »An dem Wagen hängt sie auch.«
    Plötzlich sah auch James etwas mutlos aus, sagte aber streng: »Wir dürfen über unseren augenblicklichen Sorgen nicht vergessen, daß Mutters pekuniäre und auch sonstige Lage unverändert geblieben ist. Ob sie will oder nicht, sie muß unsere Anweisungen genau befolgen, es gibt keine andere Lösung. Vermutlich hat sie schon jetzt ein schlechtes Gewissen, daß sie diesen Koller gekriegt hat, und ich bin sicher, sie wird in wenigen Tagen wieder hier auftauchen, wenn nicht schon früher … oder sie wird uns Bescheid geben, damit wir sie holen kommen, weil sie weiß Gott wo gestrandet ist.«
    »Ich könnte sie umbringen«, drohte Jill. »Das heißt – wenn sie überhaupt noch am Leben ist.«
    Dina gab einen lauten trockenen Schluchzer von sich.
    James bat sie kühl, sich doch bitte etwas zusammenzunehmen. Die beiden Schwestern fauchten wütend zurück, bereit, bei dem geringsten – oder auch ohne – Anlaß mit Streit anzufangen, weil die einzige Person, mit der sie sich gerne angelegt hätten, außer ihrer Reichweite war. James, der aus demselben Grund ziemlich angriffslustig war, brauchte seine ganze ihm zur Verfügung stehende männliche Disziplin, um geduldig abzuwarten, bis diese schrecklich gefühlsduseligen Weiber endlich
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