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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten
Autoren: Troy Una
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Mittagessen im Dorfkrug mit Georges Freunden. Seine Altersgenossen waren natürlich fast alle schon verheiratet, und anscheinend nahmen sie stillschweigend an, daß auch Jill und er bald heiraten würden. Es waren zivilisierte, liebenswürdige und ganz amüsante Menschen. Ihr Kreis in London würde wohl mehr oder weniger aus derselben Art von Leuten bestehen, dachte Jill. Alles in allem sprach vieles dafür, in den Seiten eines Romans der Jahrhundertwende zu leben!
    Sie hatte auch den Eindruck, daß sie im großen und ganzen recht gut bei Georges Eltern abgeschnitten hatte, und als am Sonntag abend Mrs. Dundon ihr einen angedeuteten Kuß gab und murmelte: »Wir würden uns freuen, Sie recht bald wiederzusehen, mein Kind«, und Mr. Dundon mit einer nach Jills Gefühl etwas zu betonten Herzlichkeit sagte: »Kommen Sie bald wieder, und holen Sie sich Ihre Revanche im Krocket«, dachte sie leicht amüsiert: Nun, es sieht so aus, als ob das Entwarnungssignal gegeben ist.
    Als George dann auf einen Parkplatz fuhr, während der Mond wie eine unreife Orange in der Krone einer Eiche hing, hörte sie mit demselben leichten Amüsement zu, wie er ihr gestand, daß er sie liebe, und sie bat, seine Frau zu werden. Alles schien etwas unwirklich; der Augenblick, wo er ihr den brillant-gefaßten Aquamarinring an den Finger steckte – ein reizendes Erbstück –, wie auch die Erinnerung an das Wochenende. Aber dann wurde alles sehr wirklich, als er sie küßte, was er – wie alles andere – wunderbar machte, und sie wußte, daß sie sehr glücklich war. Sie blieben eine ganze Weile auf dem Parkplatz stehen und sprachen über die Zukunft. (George wußte von einer Wohnung in Regents Park – oder hätte sie lieber ein Haus? Südafrika für die Flitterwochen? Vielleicht? – Das und vieles andere und alles so herrlich wie ein Traum.) Und dann fiel der Mond von der Eiche, sie fuhren weiter, und es war wirklich sehr spät, als George sie zu Hause absetzte. Das Haus lag natürlich im Dunkeln, aber sie würde Mammi wecken. Sie mußte ihr die Neuigkeit sofort erzählen und den unvergleichlichen Ring zeigen.
    Aber da war keine Mammi, die hätte geweckt werden können, da war kein Hund, da war kein Wagen. Statt dessen lehnte am Teekessel, mitten auf dem Tisch in der Halle, ein Umschlag mit der Aufschrift: »An meine Kinder«, und alles im Haus deutete auf Flucht hin.

FÜNFTES KAPITEL
    Am nächsten Tag wurden Elsies Kinder zwischen Sorge und Ärger hin- und hergerissen. Sie saßen alle drei, zwei von ihnen den Tränen nahe, in dem jetzt so trostlosen Haus, wo in der Leere jeder Fußtritt widerhallte. Gelegentlich warfen sie einen Blick auf die Straße, und hie und da meinten sie, die gespenstischen Umrisse eines hellgelben Autos zu sehen. Cucullans Nichtvorhandensein war in jedem Winkel des Hauses spürbar. Seit Stunden schon brüteten die drei Strohwaisen über dem Abschiedsbrief ihrer Mutter und suchten vergeblich nach irgendwelchen Anhaltspunkten, wo sie hingefahren sein könnte.
    »Meine liebsten und besten Kinder, lieber lande ich im Gefängnis, als daß ich Euch erlaube, meine Einkommensteuer zu zahlen.«
    »Wir haben sie verschreckt«, jammerte Dina. »Wir haben sie herumkommandiert«, klagte Jill gebrochen. »Ich hab' es doch gar nicht so streng gemeint«, sagte James bleich und bedrückt.
    »Und so tue ich das einzig Vernünftige und gehe an einen Ort, wo die Steuerbehörde mich nicht fassen kann und wo ich Arbeit finde, damit ich meine Schulden selbst bezahlen kann.«
    »Vernünftig!« Dina schob den Brief weg. »Selbst angenommen, Mammi würde eine Arbeit finden, so muß sie doch wissen, daß sie unfähig ist zu sparen. Also, warum hat sie uns das angetan?«
    »Wir haben sie zu sehr gepiesackt«, behauptete Jill. »Wir haben sie ganz durcheinandergebracht. Ich meine, sie liebt uns, sie hätte uns das nie angetan, wenn wir sie nicht ganz verrückt gemacht hätten.«
    James nahm den Brief in die Hand und konzentrierte sich zum x-tenmal auf seinen Inhalt.
    »… wo die Steuerbehörde mich nicht fassen kann …«
    »Das heißt irgendwohin, wo sie glaubt, daß sie es nicht können. Also irgendein europäisches Land kommt da nicht in Frage, weil … schaut euch mal das Postskriptum an!« Jedesmal, wenn sie es wieder lasen, gab es ihnen einen Stich ins Herz: Cucullan möchte keinen Maulkorb tragen. »Sie weiß, daß sie diesen schrecklichen Hund in Quarantäne geben müßte, wenn sie zurückkommt, und das würde sie ihm nie
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