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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten
Autoren: Troy Una
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um dich kümmern.«
    Jill fühlte sich erleichtert, aber auch etwas beschämt, weil sie nicht fest genug an die Tiefe seiner Gefühle geglaubt und ihm deshalb nicht gleich die ganze Wahrheit gesagt hatte. Durch ihren Mangel an Vertrauen sah es jetzt so aus, als ob sie ihn weniger lieben würde als er sie – was natürlich nicht stimmte. Sie saßen auf einer Bank in der Sonne nahe der St.-Pauls-Kathedrale. Sein rechter Arm lag auf der Rückenlehne der Bank, und sie schmiegte sich mit einem reumütigen kleinen Lachen an ihn.
    »Ach, was für Illusionen man sich doch macht; ich hab' mir immer eingebildet, recht selbständig zu sein, aber wenn es hart auf hart kommt, brauchen wohl alle Frauen einen Mann, an den sie sich anlehnen können. Ach, George, Liebling, ich bin ja so glücklich, daß ich dich habe! Ich sorge mich so schrecklich um Mammi.«
    »Aber, Liebes, deine Mutter war verärgert und ist fortgefahren, um euch eine Lektion zu erteilen. Sie wird zurückkommen, wenn und wann sie es für richtig hält. Wie dein Bruder so treffend bemerkte: Sehr lange kann es nicht mehr dauern.«
    Da George Mammi nicht genügend kannte, konnte man ihm unmöglich zum Vorwurf machen, daß er nicht verstand, in welchen Gefahren sie schwebte. Jill versuchte, es ihm zu erklären.
    »Es ist nicht Mammis Art, uns eine Lektion zu erteilen. Sie würde nie jemand bestrafen wollen. Aber sie ist so hilflos, sie hat nie gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen. Ich wage gar nicht, daran zu denken, was ihr in der Zwischenzeit alles zugestoßen sein könnte.«
    George schloß das Thema kurz und bündig ab: »Wenn ihr wirklich was zugestoßen wäre, hättet ihr es längst erfahren. Die Personalien deiner Mutter sind durch das Auto und den Führerschein leicht festzustellen. Und nun, Jill, mußt du aufhören, dich wie ein dummes kleines Mädchen zu benehmen, weil du mich sonst zwingst, dir eine ernste Lektion zu erteilen.«
    Er blickte sie liebevoll, aber vielleicht mit einem Anflug von Erstaunen und Enttäuschung an. Jill riß sich sofort zusammen und versuchte, vernünftig zu sein. Auch sie war zuerst etwas enttäuscht gewesen über seine Reaktion, aber jetzt verstand sie, daß er ihr etwas sehr viel Wirkungsvolleres als das erhoffte Mitleid gegeben hatte: Er hatte ihr bittere Medizin verabreicht statt der erwarteten Lutschbonbons, und natürlich war alles, was er gesagt hatte, vollkommen richtig. Sie zwang sich, diese dummen Klein-Mädchen-Unarten abzustreifen, für die er keinerlei Verständnis aufbrachte, und auf die fröhliche, disziplinierte Jill umzuschalten, die er bewunderte.
    Aber als ein Tag nach dem anderen ohne ein Lebenszeichen von Elsie verging, verzagte selbst das härteste Herz der drei verlassenen Brown-Kinder (im Grunde war keines je besonders hart gewesen), und James ließ sich dazu herbei, seinen jetzt völlig verzweifelten Schwestern recht zu geben, daß es vielleicht doch besser sei, Erkundigungen einzuziehen. Denn alle Hoffnungen, daß ihre Mutter pennylos mit einem verhungerten Hund und einem kaputten Wagen ohne einen Tropfen Benzin im Tank demütig zu ihnen zurückkehren würde, hatten sich ganz zweifellos als trügerisch erwiesen. James machte noch einen letzten schwachen Versuch, sein Gesicht zu wahren, indem er sagte, daß eine Frau, ein Hund und ein Wagen doch nicht einfach vom Erdboden verschwinden könnten, gab sich aber schließlich geschlagen, als seine Schwestern ihn wütend anfuhren: »Nun gut, aber wo sind sie?«
    Elsie Brown, ihr Hund und ihr Auto waren in Dooneen, in Irland.
    Elsie hatte genug Zeit zum Nachdenken gehabt, während sie darauf wartete, daß Jill nach Sussex abfahren und das Feld räumen würde, und je länger sie sich ihren Plan hatte durch den Kopf gehen lassen, desto genialer war er ihr vorgekommen: Die Irische Republik war natürlich an und für sich schon der ideale Zufluchtsort für Elsie Brown, geborene O'Leary – es war Ausland, ohne das Unheimliche und Erschreckende eines fremden Landes zu haben. Aber in ihrer augenblicklichen Lage hatte ihr Geburtsland noch einen anderen unbezahlbaren Vorteil: Sie war dort vor der englischen Steuerbehörde sicher.
    Sie hatte in den letzten fünfundzwanzig Jahren nicht viele Gedanken an ihre Heimat verschwendet, doch jetzt wuchs sie ihr täglich mehr ans Herz. Es war ein so praktisches kleines Land, und der praktischste Ort für sie hieß natürlich Dooneen. Obwohl ihre Großeltern schon lange tot waren und das Hotel in anderen Händen, mußten noch
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