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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten
Autoren: Troy Una
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dich auch nicht so einsam fühlen, Mammi? Wir müssen uns wirklich ein Telefon anschaffen, dann können wir dich immer erreichen, egal, wo wir sind.«
    Elsie sagte nachdenklich: »Euer Vater pflegte zu sagen, das Telefon sei in einem englischen Haus wie eine Art von trojanischem Pferd. Ich verstehe eigentlich erst jetzt, wie recht er damit hatte.« Sie lächelte vergnügt. »Ja, Liebling, sicher wäre es praktisch, ein Telefon zu haben – später einmal. Da ist Mr. Dundons Wagen, wenn ich mich nicht irre. Wir kennen doch sonst niemand, der einen Bentley fährt, nicht wahr?«
    »Ach Mammi, was soll das – er heißt George!«
    »Du weißt, wie altmodisch ich bin, ich kann nicht so schnell auf Vornamen umschalten. Und vergiß nicht, ich habe ihn erst einmal gesehen.«
    »Vielleicht wäre es keine schlechte Idee«, sagte Jill gedehnt, »wenn du in diesem Fall deine altmodischen Vorurteile aufgeben würdest. Ich habe den Eindruck, daß du ihn bald … häufiger sehen wirst.« Sie zögerte. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, Mammi?«
    Auf ihre diplomatische irische Art beantwortete Elsie diese Frage mit einer Gegenfrage: »Warum sollte ich etwas gegen einen Mann haben, mit dem meine Tochter glücklich ist?«
    »Offiziell hat er mir übrigens noch keinen Heiratsantrag gemacht.«
    »Ich bin überzeugt, daß Mr. … daß George einen wunderbaren Antrag machen wird.«
    »Alles, was George macht, ist wunderbar.« Jills ehemalige Flirts, vorausgesetzt, daß sie stolze Besitzer eines Wagens oder Motorrads waren, hatten ihre Anwesenheit durch ein Hupkonzert bekanntgegeben, und Jill war daraufhin die Treppe hinuntergesaust. George jedoch läutete an der Tür. Sie wechselten ein paar freundliche Worte, bevor er die Wagentür für Jill öffnete – auch wieder ganz anders als die anderen! – und sagte: »Vielleicht kommen wir am Sonntag erst spät zurück, aber bitte, Mrs. Brown, seien Sie ganz unbesorgt, ich verspreche Ihnen, ich werde gut auf Jill aufpassen.«
    Elsie antwortete: »Ja, ich weiß, daß Sie gut auf Jill aufpassen werden – George«, und sie sagte es auf so eine nette Art, daß Jill ganz froh ums Herz wurde – aber dann stieß Mammi einen leisen kleinen Seufzer aus, so einen einsamen kleinen Seufzer. Doch das letzte, was Jill von ihr sah, als sie fortfuhren, war, wie sie zwischen dem Wagen und Cucullan stand und ihnen nachwinkte.
    »Ich liebe meine Mutter sehr«, verkündete Jill ganz zusammenhanglos. George lächelte leicht ironisch: »Ein sehr normales Gefühl, Liebling, aber doch kein Grund, so aggressiv zu sein.« Jill hatte nicht aggressiv klingen wollen; sie wußte selber nicht, was sie plötzlich dazu veranlaßt hatte, diese Erklärung abzugeben. Sie versuchte, die störenden Gedanken zu verscheuchen – schließlich verließ sie ja Mammi nur für drei Tage –, und hier war dieser wunderbare Abend, der prachtvolle Wagen und George, und vor ihr lag, wenn sie sich nicht sehr täuschte, ein außerordentlich bedeutsames Wochenende.
    Es war ein sehr angenehmes Wochenende, und Jill gestand sich ein, daß sie diesen ersten Hauch von elegantem Leben sehr genoß. Sie wußte, daß sie zur Begutachtung vorgeführt wurde, aber man mußte gerecht sein: Hatte sie nicht auch George aus demselben Grund Mammi vorgestellt? Seine Eltern waren reizend zu ihr. Sein Vater, eine ältere Ausgabe von George, war der typische Landedelmann; seine Mutter war schlank, grauhaarig und gutaussehend. Und obwohl alle Menschen, die sie traf, anscheinend keine Ahnung hatten, daß sie im Zeitalter der klassenlosen Gesellschaft lebten, und Jill zu stolz war, um auch nur die geringste Anstrengung zu machen, sich ihrer neuen Umgebung bewußt anzupassen, merkte sie doch, daß all diese Monate, die sie mit George zusammen verbracht hatte, ihr sehr halfen, mühelos in diesen neuen Lebensstil zu gleiten.
    Es war, als lebe man in den Seiten eines Romans der Jahrhundertwende. Jeden Morgen brachte ein Hausmädchen den Tee ans Bett, zum Frühstück stand auf der Anrichte eine reiche Auswahl von Gerichten, man spielte Krocket und Tennis, und am Schwimmbassin wurden Erdbeeren mit Sahne und eisgekühlte Getränke gereicht. Man ging über die Felder, machte einen kurzen Rundgang durch die Ställe, und bei Tisch bediente ein älteres Dienstmädchen, das mit dem Nachnamen angeredet wurde (scheinbar konnten sogar die Dundons sich keinen Butler mehr leisten!). Am Sonntag las George in der Kirche aus der Bibel vor. Danach traf man sich vor dem
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